Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74(7): 631-633
DOI: 10.1055/s-0034-1368424
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Historische Behandlungsmethode. Die Erfindung der Kolposkopie

Hans Hinselmann (1884–1959): „Von Anfang an stand über diesem Unternehmen ein unglücklicher Stern.“
Andreas D. Ebert
,
Matthias David
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 August 2014 (online)

Die Idee

Es ist wahrscheinlich, dass Hans Hinselmann ([Abb. 1]) 1924 als Oberarzt von seinem Chef, dem Ordinarius der Universitäts-Frauenklinik Bonn, Otto von Franque (1867–1937), den Auftrag erhielt, sich wissenschaftlich mit der Frage der Zervixkarzinomfrüherkennung zu beschäftigen: „… Im März 1924 wurde der der Kolposkopie zugrunde liegende Gedanke ausgelöst durch das Bestreben, die Frühdiagnose des Makrokarzinoms zu verbessern …“ [2], [3].

Zoom Image
Abb. 1 Porträt Hans Hinselmanns (aus [1]).

Hinselmann sollte im Auftrag von Franques auch ein Handbuchkapitel über das Uteruskarzinom schreiben [4], ein Thema, dass ihn eigentlich nicht besonders interessierte, da er mit anderen Fragestellungen beschäftigt war. Bekannt war Hinselmann damals bereits als Eklampsie- und Plazentaforscher [8]. Die Idee der lupenoptischen Betrachtung der Portio war so einleuchtend und einfach, dass Hinselmann davon ausging, dass man diese Methode nicht extra propagieren müsse, wenn es gelänge, eine entsprechende Apparatur zu konstruieren [2]. Doch, so schrieb Hinselmann später: „… Von Anfang an stand über diesem Unternehmen ein unglücklicher Stern …“ [2], [3]. Das Projekt scheiterte fast an technischen Fragen. Erst im Laufe der Untersuchungen wurde durch Hinselmann in Kooperation mit der Firma Leitz eine Art Ur-Kolposkop konstruiert. Die ersten Befunde waren für Hinselmann und von Franque frappierend [2]. Aus der Aufgabe erwuchs die Leidenschaft: Jede Portio-Veränderung wurde nun von Hinselmann kolposkopiert und in Zeichnungen – sowie Jahrzehnte später auch durch Fotografien – dokumentiert ([Abb. 2] und [3]). Hinselmann hatte die Themen seines Lebens gefunden: die Erforschung der Krebsvorstufen und die Krebsfrüherkennung mithilfe der Kolposkopie. Blickt man zurück in die Geschichte der Krebsfrüherkennung und der Zervixkarzinomprävention, so stehen – wissenschaftlich gesehen – Hans Hinselmann, Robert Meyer, Georges Papanicolaou und Harald zur Hausen in einer Reihe.

Zoom Image
Abb. 2 Hinselmann kolposkopiert (aus [5]).
Zoom Image
Abb. 3 Frühe Aquarellzeichnung „Felderung als Grund von Leukoplakien“ (aus [5]).
 
  • Literatur

  • 1 http://wikipedia.org/wiki/Hans_Hinselmann Stand: 03.04.2014
  • 2 Hinselmann H. Über die Geschichte der Kolposkopie. Z ärztl Fortbildung 1952; 23: 702-731
  • 3 Redaktion. Am 6. August 1954 hat Hans Hinselmann sein 70. Lebensjahr vollendet. Z ärztl Fortbildung 1955; 49: 473-474
  • 4 Hinselmann H. Die Ätiologie, Symptomatologie und Diagnostik des Uteruskarzinoms. In: Veit J, Stoeckel W, Hrsg. Handbuch der Gynäkologie. Band 6/1. München: J. F. Bergmann; 1930: 854-953
  • 5 Hinselmann H. Einführung in die Kolposkopie. Hamburg: Paul Hartung Verlag; 1933
  • 6 Fusco E, Padula F, Mancini E et al. History of colposcopy: a brief biography of Hinselmann. J Prenatal Med 2008; 2: 19-23
  • 7 Hinselmann H. Beitrag zur Kenntnis der bösartigen pigmentierten Geschwülste der Vulva. Dissertation. Christian-Albrecht-Universität Kiel; 1908
  • 8 Hinselmann H. Die angebliche, physiologische Schwangerschaftsthrombose von Gefäßen der uterinen Placentastelle. Stuttgart: Enke; 1913
  • 9 Halioua B. The participation of Hans Hinselmann in medical experiments at Auschwitz. J Low Genital Tract Diseases 2010; 14: 1-4
  • 10 Klee E. Das Personallexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/M.: S. Fischer; 2003: 257
  • 11 Winter G. Das Kolposkop bei der Krebsbekämpfung. Zbl Gynäkol 1937; 61: 2147-2152
  • 12 Winter G. Mein wissenschaftliches Lebenswerk. Z Gebh Gyn 1944; 126: 121-181 hier S. 149 ff.
  • 13 Lang H-J. Die Frauen aus Block 10. Hamburg: Hoffmann und Campe; 2012: 144-166
  • 14 Kater MH. Ärzte als Hitlers Helfer. Hamburg/Wien: Europa; 2000: 335 360–388
  • 15 Eckert WU. Medizin in der NS-Diktatur. Wien-Köln-Weimar: Böhlau; 2012: 308
  • 16 Hübner J. Kolposkopie ohne Menschlichkeit. Hamburger Ärzteblatt 2012; 4: 34-35
  • 17 Wirths H. Das intensive Quecksilberlicht bei der Kolposkopie (Vortrag). Arch Gynäkol 1942; 173: 122
  • 18 Hinselmann H. Leiden und Sterben ist beim Collumcarcinom vermeidbar! Eine realisierbare Vision. Procepticus; 1951
  • 19 Hinselmann H. Die Kolposkopie. Wuppertal-Elberfeld: W. Girardet; 1954
  • 20 Hinselmann H. Frühdiagnose und diagnostische Prophylaxe des Kollumkarzinoms. Zbl Gynäkol 1954; 76 (H34a) 1527-1536
  • 21 Weinberger RJ. The deadly origins of a life-saving procedure. The Jewish Daily Forward. Online: http://forward.com/articles/9946/the-deadly-origins-of-a-life-saving-procedure/ Stand: 04.04.2014
  • 22 Vorstand der DGGG Hrsg. Gynäkologen deutscher Sprache. Stuttgart: Thieme; 1960: 572