Dialyse aktuell 2013; 17(10): 507
DOI: 10.1055/s-0034-1368118
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Alles ist relativ

Christian Schäfer
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. Januar 2014 (online)

Wie sagte einst der geniale wie exzentrische Ausnahmephysiker Albert Einstein? „Wenn man 2 Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären 2 Stunden. Das ist Relativität.“

Viel eindrücklicher kann man es kaum formulieren, wenn es um die subjektive Wahrnehmung der Zeitdauer von Situationen und Episoden in unserem Leben geht. So ist das Jahr 2013 schon fast vorüber – kaum kam man aus dem Sommerurlaub, war der Herbst da. Sogleich folgte die Adventszeit und Weihnachten steht schon vor der Tür. Eigentlich ist das Jahr fast wie im Fluge vergangen – einzelne ungewöhnliche oder wichtige Ereignisse stechen heraus, aber der Rest …? Geht es Ihnen auch so? Dann ist das kein Wunder, denn als Erwachsener hat man viele Situationen schon einmal so oder so ähnlich erlebt – passenderweise bezeichnen wir diese als „alltäglich“. Das Gehirn scheint sie im Gedächtnis „zusammen“ zu speichern, sodass uns die Zeit in der Rückschau verkürzt vorkommt: als ob die abendliche Heimfahrt von der Arbeit der letzten Woche irgendwie ein einziges Erlebnis gewesen sei – oder eben, als ob die Zeit zwischen Montag und Freitag einfach heruntergespult worden wäre. Während der Heimfahrt selbst denken wir eher, dass die Zeit langsam zu vergehen scheint, man kennt irgendwie schon alles. Derselbe Mensch kann die Zeitdauer einer einzigen Situation also auch unterschiedlich wahrnehmen – je nachdem, ob er sich in der Situation befindet oder ob er sich später daran erinnert.

Gehen wir vom Alltäglichen einmal weg: Unternehmen wir z. B. eine schöne Reise in ein Land, in dem wir noch nie waren, kann uns während der Reise die Zeit so vorkommen, als ob sie vorbeirauscht. Wir bedauern, dass der Urlaub nicht länger dauert. Während der Reise überfluten uns aber auch neue Stimuli und Impressionen. Die Tage scheinen in der Rückschau ewig gedauert zu haben, wir können uns an sehr viele Dinge erinnern, die sich nicht so sehr ähneln und überlagern. Es ist wieder dasselbe Ereignis und derselbe Mensch, aber eine unterschiedliche Zeitwahrnehmung.

Alles liegt also daran, welche Erfahrungen wir mitbringen und in welcher Warte wir uns befinden – Relativität eben. Wie wir alle wissen, kann aber nicht nur derselbe Mensch dieselben Dinge unterschiedlich wahrnehmen, sondern natürlich nehmen oft verschiedene Menschen oder Menschengruppen eine einzige Situation auf die unterschiedlichste Weise wahr. Das kann vielfältige Ursachen haben: Der eine hat etwa spezielle Ziele und sieht daher alles nur so, wie die Situation dieses Ziel beeinflusst, ein anderer sieht das Ereignis innerhalb eines größeren Gesamtbildes und bewertet sie daher anders und ein Dritter versteht gar nicht, warum sich alle so aufregen – er sagt: „Das ist doch alles gar nicht so wichtig!“

Mit dem Koalitionsvertrag, den SPD und Union kurz vor dem Druck dieser Ausgabe der Dialyse aktuell unterschrieben haben, gehen einige hart ins Gericht, andere sind zumindest teilweise zufrieden damit. Neuigkeiten dazu, was die SPD-Basis davon hält bzw. ob sich die Partei auf eine von Dr. Angela Merkel (CDU) geführte große Koalition mit der Union einlässt, hat die SPD für den 15. Dezember angekündigt – kurz vor dem Zeitpunkt, an dem Sie dieses Heft im Briefkasten haben. Für mich als Schreiber dieser Zeilen liegt die Entscheidung pro oder contra große Koalition also noch in der Zukunft, für Sie wahrscheinlich schon in der Vergangenheit – alles ist relativ.

Ich hoffe, dass diese Ausgabe der Dialyse aktuell zum Thema „Apherese“ samt Supplement zum Thema „Therapie der renalen Anämie“ sowie die anderen Ausgaben der Dialyse aktuell inkl. Kompendium Nephrologie im Jahr 2013 interessant für Sie waren. Am besten so interessant, dass Ihnen die Zeit während der Lektüre kurz und in der Rückschau lang vorkam. Das würde mich nicht nur relativ freuen, sondern „ausnahmsweise“ einmal absolut. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und ein gutes, gesundes neues Jahr!

Christian Schäfer, Stuttgart