Zusammenfassung
Einleitung: Steigende Bevölkerungszahlen von Muslime in Deutschland1 – aktuell etwa 4,3 Millionen – bedingen ein zunehmend häufigeres Auftreten als Patienten
in hausärztlichen Praxen. Dennoch sind ihre heterogenen kulturellen und religiösen
Lebenshintergründe vielfach für die behandelnden Hausärzte unbekannt und fremdartig.
Um von deren Erfahrungen ausgehend Entwicklungen der interkulturellen Handlungskompetenz
zu erfassen, wurde in der vorliegenden Untersuchung ein Brainwriting mit Hausärzte
durchgeführt, das ihre spontanen Assoziationen mit muslimischen Patienten erfasst.
Methodik: 90 Hausärzte (66 männlich, 24 weiblich) notierten subjektive Gedanken und Stichwörter
zu „Muslimischer Patient“ und ohne Austausch auf ein vorbereitetes Blatt Papier. Auf
diesem wurden zusätzlich Geschlecht, Alter, Anzahl der Jahre als niedergelassender
Hausarzt und Häufigkeit der Behandlung von muslimischen Patienten in der eigenen Praxis
abgefragt. Anhand der Notizen konnten mit dem Datenauswertungsprogramm MAXQDA folgende
analytische Kategorien „Sprache“, „Untersuchung“, „Kopftuch“, „Männer/Frauen“, „Begleitung“,
„Gewalt“, „Krankheitsverständnis“, „Psychossomatik“ und „Compliance“, herausgearbeitet
werden. Diese wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Die notierten Gedanken zeigen, dass viele befragte Hausärzte die Behandlung muslimischer
Patienten als schwierig wahrnehmen. Sie verbinden mit muslimischen Patienten eine
durch sprachliche Verständigungsprobleme, andersartiges Krankheitsverständnis sowie
mit Berührungsängsten belastete Untersuchungssituation. Weniger häufig wurden positive
Assoziationen und unproblematische Untersuchungssituationen notiert.
Schlussfolgerungen: Aufgrund mangelnden Wissens über kulturelle und religiöse Kontexte werden muslimische
Patienten in den Ergebnissen wenig reflektiert und vielfach stereotypisierend dargestellt.
Dies verdeutlicht die Notwendigkeit interkulturelle Handlungskompetenz in der Alltagspraxis
zu fördern und systematisch in den Ausbildungsprozess einzugliedern.
Abstract
Introduction: Due to the increasing numbers of Muslims in Germany1 – about 4.3 million at the moment – more Muslim patients are medicated in the practices
of family doctors. Their heterogeneous cultural and religious backgrounds are nontheless
unknown and unfamiliar for the treating general practitioner. Based on the daily experiences
of the latter and in order to capture their development of intercultural competence,
in the present study a brainwriting with general practitioners was conducted to record
their spontaneous associations with Muslim patients.
Methodology: Individually and without exchange 90 general practitioners (66 male, 24 female) listed
subjective thoughts regarding „Muslim patients“ on a prepared sheet of paper. Additionally,
sex, age, number of years as physician in a private practice and the frequency of
treatment of Muslim patients in their own practice were requested. The content of
the notes were evaluated using MAXQDA and were clustered in the categories of “language”,
“company”, “violence”, “men”/„women”, “psychosomatic medicine”, “compliance”, “understanding
of illness”, “physical examination” and “head scarf”.
Results: The ideas listed show that the majority of interviewed general practitioners regarded
the treatment of Muslim patients as difficult. They associate Muslim patients with
communication problems, a different type of disease understanding and a fear of contact,
which hampers the examination situation. Less frequently, positive associations and
unproblematic examination situations were noted.
Conclusions: Due to a lack of knowledge about cultural and religious contexts Muslim patients
are often described by using stereotypes. This underlines the necessity to foster
intercultural competences and self-reflection in daily practice and its systematic
inclusion in medical education.
Schlüsselwörter
Muslimische Patienten - Allgemeinmedizin - interkulturelle Handlungskompetenz - Compliance
- Vorurteile - Qualitative Forschung
Key words
muslim patients - general practice - cross-cultural communication - compliance - stereotypes
- qualitative research