Pneumologie 2014; 68(06): 394-396
DOI: 10.1055/s-0034-1365458
Historisches Kaleidoskop
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Gerhard Domagk (1895–1964) und die ersten Medikamente gegen Tuberkulose

Gerhard Domagk (1895–1964) and the First Medicaments Against Tuberculosis
M. Hundeiker
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Publication Date:
08 April 2014 (online)

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In der Erinnerung vieler Mediziner ist Gerhard Domagk vor allem der Mann, der unter der Nazi-Diktatur den Nobelpreis für die Entwicklung der Sulfonamide nicht annehmen durfte und dafür in Gestapo-Haft geriet. Auffallend wenig bekannt ist aber seine für unsere Zeit folgenreichste Leistung, vielleicht, weil sie wie vieles andere nach dem Ende der Diktatur in andere Hände kam: die Entwicklung der Tuberkulosemittel Conteben (Tb1) und Neoteben (INH). Ihre Bedeutung kann sich kaum vorstellen, wer nicht die Tuberkulose als Volksseuche erlebt hat. Noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts war die Lungentuberkulose überall alltäglich. Krankenstationen, ganze Kliniken, Sanatorien waren voll von elend dahinsiechenden hustenden, spuckenden Menschen. In jeder Nachbarschaft gab es „offene“ Tuberkulöse mit oft blutigem Auswurf, von denen man Abstand hielt. Der Gedanke, dass die Luft um Hustende voller Bakterien war, machte den Umgang mit Kranken unheimlich. Befall anderer Organe war weniger auffällig, außer an der Haut: Hauttuberkulose war zwar kaum selbst infektiös („Die Haut hustet nicht!“), führte aber zu furchtbaren Entstellungen. Hautherde konnte man zwar manchmal operativ ganz beseitigen [1] [2], aber sonst versuchte man vor allem mit guter Ernährung, Luft, Licht, Sonne, „Abwehrkräfte“ zu stärken. So begann vor 150 Jahren die fast hundertjährige Blütezeit der Lungensanatorien in heilklimatischen Kurorten. Sonnenbestrahlung wurde später durch künstliche UV-Strahlung ergänzt [3]. Zudem hatten in Belgien und Frankreich seit etwa 1942 die Dermatologen Fanielle und Charpy Vitamin D2 erprobt. Das brachte erkennbare Besserungen bei Hauttuberkulose, verlor aber nach wenigen Jahren an Bedeutung, als gegen Mykobakterien wirksame Medikamente entwickelt wurden [4] [5] [6] [7]: