Krankenhaushygiene up2date 2014; 09(01): 1
DOI: 10.1055/s-0034-1365224
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anzahl Krankenhäuser in Deutschland: Ist weniger mehr oder ist mehr besser?

Elisabeth Meyer
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Publication Date:
25 February 2014 (online)

Die Zahl der Operationen in Deutschland sei auf Rekordhoch – so titelte das Ärzteblatt Ende letzten Jahres [1]. Im Krankenhaus operierten Chirurgen 15,7 Millionen mal im Jahr 2012 und das war 3,3 % mehr als im Vorjahr und so viel wie nie zuvor. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sagt, das sei dem wachsenden Bedarf durch die alternde Gesellschaft und dem medizinisch-technischen Fortschritt geschuldet, die gesetzlichen Krankenkassen vermuten, dass viele Eingriffe nicht nötig seien und dass es in Deutschland zu viele Krankenhausbetten gebe. Wer hat recht?

Mit 240 Krankenhausfällen pro 1000 Einwohner lag Deutschland im Jahr 2010 um 50 Prozent über dem Durchschnitt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In keinem der anderen Industriestaaten wurden hochgerechnet so viele perkutane Koronarinterventionen durchgeführt, Leistenbrüche operiert und künstliche Hüften eingesetzt [2]. Dabei sind die Behandlungszahlen in der Onkologie nahezu doppelt so hoch wie im OECD-Durchschnitt, obgleich die Krebshäufigkeit ungefähr dem Durchschnitt entspricht.

Die Anzahl der Krankenhausbetten in Deutschland ist vergleichsweise hoch mit 8,2 Betten pro 1000 Einwohner [3]. Gesundheitssysteme, die eine gute Versorgung bieten und in denen die Lebenserwartung teilweise sogar noch höher liegt als in Deutschland, kommen mit sehr viel weniger Krankenhausbetten aus: die Schweiz mit 5,3 Betten, die Niederlande mit 4,4 und Norwegen begnügt sich mit 3,5 Betten pro 1000 Einwohner. Nicht nur was Lebensqualität, sondern auch was Infektionsprävention und rationalen Umgang mit Antibiotika anbelangt, scheint tatsächlich weniger mehr zu sein.

Machen wir uns nichts vor: Krankenhäuser sind Wirtschaftbetriebe, die am besten Gewinn abwerfen. Falls sie Verlust machen, sind sie existentiell bedroht. Gute Vergütung im DRG-System ist mit möglichst invasiven Maßnahmen zu erzielen: ein einfacher Herzkatheter rechnet sich kaum mehr, besser ist ein Herzkatheter mit Stents. Beatmungszeiten sind lukrativ.

Dem stehen viele Empfehlungen in der Infektionsprävention gegenüber:
Sie haben das Ziel sowenig invasiv wie möglich zu arbeiten: die nötigen Devices sobald wie möglich zu entfernen, Indikationen für Beatmung, Operationen, invasive Zugänge genau zu prüfen. Dazu kommt, dass es einen klaren Zusammenhang gibt zwischen nosokomialen Infektionen oder Übertragung multiresistenter Erreger und Ausstattung an Pflegepersonal. Und Personal ist teuer.

Meine Schlussfolgerungen – auch im Hinblick auf die 2014 zu überarbeitende Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) – sind daher drei Punkte:

  • wir sollten Krankenhausbetten in Deutschland abbauen,

  • dabei das Pflegepersonal aufstocken und – ähnlich wie beim Hygienepersonal – eine Mindestpersonalausstattung festlegen. Eine gute Idee ist auch, Kliniken künftig finanziell dafür zu belohnen, ausreichend Krankenpfleger und -schwestern zu beschäftigen [5]. Fachkundige Behandlung ist nur möglich, wenn Pflegekräfte und Ärzte nicht dauerhaft überlastet sind.

  • Und wir brauchen alternative Versorgungskonzepte jenseits des Krankenhauses für alte, multimorbide oder demente Menschen.

 
  • Literatur

  • 1 Krankenhäuser: Zahl der Operationen auf Rekordhoch. Dtsch Arztebl 2013; 110 A-2048/B-1812/C-1772
  • 2 Krankenhausfinanzierung: Wasser auf die Mühlen der Krankenkassen. Dtsch Arztebl 2013; 110 A-749/B-657/C-657
  • 3 2012 http://www.indexmundi.com/g/r.aspx?v=2227&l=de
  • 4 Schwab F, Meyer E, Geffers C et al. Understaffing, overcrowding, inappropriate nurse: ventilated patient ratio and nosocomial infections: which parameter is the best reflection of deficits?. J Hosp Infect 2012; 80: 133-139
  • 5 Krankenhäuser mit viel Pflegepersonal sollen mehr Geld bekommen. aerzteblatt.de 2.2.2014