Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46(01): 61
DOI: 10.1055/s-0033-1364010
Kommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zur Arbeit: „Primär adaptierende vs. sekundäre Wundverschlüsse bei Infektionen der Hand – Unterschiede und Vorteile“ von D. Schmauss, T. Finck, J. A. Lohmeyer, M. Reidel, H.-G. Machens und K. Megerle

Commentary on “Primary Adaptive vs. Secondary Wound Closure in Hand Infections – Differences and Benefits” by D. Schmauss, T. Finck, J. A. Lohmeyer, M. Reidel, H.-G. Machens and K. Megerle
B. Reichert
1   Chefarzt, Klinik für Plastische, Wiederherstellende und Handchirurgie Zentrum für Schwerbrandverletzte Klinikum Nürnberg-Süd
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Publication Date:
30 January 2014 (online)

So vielfältig Ursachen und Erscheinungsformen von Infektionen an der Hand sind, so allgemeingültig ist doch die Empfehlung einer konsequenten chirurgischen Therapie. Hierbei ist die Frage nach der Erfordernis eines mehrzeitigen Vorgehens in der Praxis durchaus interessant.

Die Autoren weisen mit ihrem Beitrag darauf hin, dass nicht jede aus einem chirurgischen Débridement resultierende Wunde grundsätzlich nur sekundär verschlossen werden darf. Diesem Gedanken kann man durchaus folgen. Wann aber sollen adaptierende Situationsnähte, die einen sekundären Wundverschluss erübrigen, erlaubt sein?

Im Einzelfall werden Aspekte wie Ausmaß und Ausdehnung einer Exposition mit pathogenen Keimen, Latenz bis zur chirurgischen Therapie, individuelle Komorbiditäten, Grad des Gewebeverlustes nach Débridement und auch die Erfahrung des Operateurs zu beachten sein. Auch wird eine häufig andernorts durchgeführte Vorbehandlung bedacht werden müssen. Solche Fälle haben die Autoren verständlicherweise nicht in ihre Untersuchung eingeschlossen, was trotz eines Beobachtungszeitraums von 24 Monaten zu einer relativ kleinen Fallzahl führte. Verglichen wurden 2 Kollektive mit annähernd gleicher Ausgangslage, die nach dem chirurgischen Debridement entweder primär adaptierend oder 2-zeitig sekundär verschlossen wurden. Auch wenn die statistischen Angaben nur eine begrenzte Aus­sagekraft haben, ist der Trend doch interessant, wonach offenkundig bei einigermaßen vergleichbarer Gruppenzusammensetzung keine Unterschiede in der Ergebnisqualität festzustellen waren: in beiden Gruppen konnten die Handinfek­tionen ausnahmslos erfolgreich zur Abheilung gebracht werden.

In beiden Gruppen wurden mehrheitlich phlegmonöse Infektionen an Fingern, in geringerer Anzahl auch an der Hand inkludiert. Wenn man weiterhin bedenkt, dass neben Tier- und Menschenbissen Schnitt- und Stichverletzungen ursächlich waren und nur in der Hälfte der Fälle ein Keimnachweis gelang, so kann man konstatieren, dass uns hier relativ milde Verlaufsformen vorgestellt werden, die eine immer günstige Prognose haben. Auch die Tatsache, dass keine Folgeeingriffe erfolgen mussten, spricht für diese Einschätzung. Dass allerdings in beiden Gruppen etwa ein Viertel der befragten Patienten angab, ihre ursprüngliche Beweglichkeit der Hand nicht wiedererlangt zu haben, hätte eine genauere Aufarbeitung verdient. Handelt es sich hierbei um Infektionen am Knochen und in Gelenken? Bemerkenswert ist jedenfalls, dass in keiner der beiden Gruppen Beugesehnenscheideninfek­tionen enthalten sind.

Wenn überhaupt Empfehlungen zur Entscheidungsfindung aus den vorgelegten Daten abgeleitet werden können, so bestenfalls die folgende:

Solange die Infektion sich in der Fläche und Tiefe nur geringfügig ausgedehnt hat, darf nach konsequentem chirurgischem Débridement die Wunde adaptierend verschlossen werden, solange dies ohne Spannung möglich ist.

Strenge und engmaschige Verlaufskontrollen sind allerdings wichtig, eine stationäre Behandlung erscheint daher gerechtfertigt. Auch ein adjuvanter Einsatz von Antibiotika entbindet von dieser Verpflichtung nicht.