Z Gastroenterol 2014; 52(9): 1038
DOI: 10.1055/s-0033-1362792
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf – Prof. Dr. med. Volker Schusdziarra

Johannes G. Wechsler
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Publication Date:
22 September 2014 (online)

Prof. Dr. med. Volker Schusdziarra ist am 28.06.2014 nach schwerer Krankheit in München verstorben. Geboren wurde Volker Schusdziarra 1950 als Sohn des Landarztes Dr. med. Heinrich Schusdziarra in Stapelfeld, Schleswig-Holstein. Diese frühe Begegnung mit Patienten und der Medizin haben sein klinisches Denken und sein Verantwortungsbewusstsein maßgeblich beeinflusst. Er hat das Gymnasium in Hamburg-Rahlstedt besucht und sein Medizinstudium an der Universität Hamburg mit Staatsexamen und Promotion 1974 abgeschlossen. Nach der Medizinalassistentenzeit im Krankenhaus Reinbek sowie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, an der Ludolf-Krehl-Klinik der Universität Heidelberg und an der II. Medizinischen Klinik der Universität Düsseldorf zog es Volker Schusdziarra 1976 als Postdoctoral Fellow in das Labor von Prof. R. H. Unger an der South Western University in Dallas, Texas, USA, eine der renommiertesten Forschungsstätten für gastrointestinale Endokrinologie. Seine Erfahrungen dort waren für sein kritisches wissenschaftliches Denken und Arbeiten prägend. 1979 kehrte er nach Deutschland zurück in die Abteilung Innere Medizin I der Universität Ulm unter der Leitung von Prof. Dr. E. F. Pfeiffer. Hier gelang es ihm, neben seiner weiteren klinischen Ausbildung, eine höchst erfolgreiche eigene Arbeitsgruppe aufzubauen und in den Sonderforschungsbereich-87 zu integrieren, dessen wissenschaftlicher Sekretär und Sprecher er war.

Nach Facharztprüfung und Habilitation 1984 über die „Rolle der gastrointestinalen Hormone bei der Nahrungsaufnahme und Verwertung“ zog es ihn von Ulm nach München in die II. Medizinische Klinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München zu Prof. Dr. M. Classen. Von 1986 an war er hier leitender Oberarzt und prägte die klinische als auch die wissenschaftliche Entwicklung dieser Klinik in den folgenden Jahren maßgeblich. Aufgrund seiner hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen, die u. a. 1990 mit dem Ferdinand-Bertram-Preis der Deutschen Diabetes Gesellschaft gewürdigt wurden, wurde er 1989 vorzeitig zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1991 erhielt er die Teilgebietsbezeichnung Gastroenterologie. 2003 wechselte Volker Schusdziarra mit seiner Arbeitsgruppe in die Klinik für Ernährungsmedizin, deren stellvertretender Ärztlicher Direktor er wurde und deren Ernährungsmedizinische Ambulanz er bis zuletzt leitete.

Wissenschaftliche Schwerpunkte seiner Arbeit waren die Regulation der Magensäuresekretion, die Beeinflussung von Nahrungsaufnahme und Sättigung durch den Gastrointestinaltrakt und das ZNS, die Rolle neuronaler Reflexmechanismen von Neurotransmittern und Neuropeptiden bei der Regulation der gastrointestinalen Motilität und der Gastrinfreisetzung, Untersuchungen zur Bedeutung von GLP-1 auf die Induktion von Sättigungssignalen im ZNS und die Bedeutung von Ghrelin in der Regulation der Nahrungsaufnahme. In den letzten Jahren kamen eine Vielzahl klinischer Analysen zum Essverhalten, sowie Studien zu Insulinresistenz und Stoffwechsel hinzu, die er zu einem klar profilierten klinischen Konzept der Ernährungstherapie von Adipositas und Typ-2-Diabetes zusammenführte.

Aus dieser wissenschaftlichen und klinischen Arbeit sind mehr als 400 Originalarbeiten, Buchbeiträge und Übersichtsarbeiten sowie eine Vielzahl publizierter Kongressabstracts hervorgegangen. Zahlreiche Doktoranden und Habilitanden haben durch seine unverwechselbare Handschrift das wissenschaftliche Arbeiten auf höchstem Niveau gelernt und sind ihm zu großem Dank verpflichtet.

Volker Schusdziarra war Gutachter der Deutschen Forschungsgesellschaft und vieler internationaler Fachzeitschriften. Er war als Präsident, Sekretär und Organisator von wissenschaftlichen Kongressen und Tagungen aktiv, Schriftleiter der Zeitschrift „Leber Magen Darm“, sowie Mitglied im Editorial Board zahlreicher Zeitschriften u. a. des „European Journal of Clinical Investigation“. Volker Schusdziarra war Mitglied verschiedenster wissenschaftlicher Fachgesellschaften. Für die Deutsche Adipositasgesellschaft, zu deren Gründungsmitgliedern er zählte, war er von 1984 bis 2000 im Vorstand und wissenschaftlichen Beirat. 1993 und 2000 war er Tagungsleiter des 5. Europäischen Adipositaskongresses sowie der 9. und 16. Jahrestagung der Deutschen Adipositasgesellschaft. Die Bayerische Landesärztekammer unterstützte er über viele Jahre als Prüfer und Dozent der Fort- und Weiterbildungen.

Klinisch war Volker Schusdziarra als strenger Lehrer bekannt, für den Engagement, klare Konzepte sowie Empathie und Verantwortungsbewusstsein für die anvertrauten Patienten gleichermaßen wichtig waren – eine Haltung, die er beeindruckend vorgelebt hat. Aufgrund seiner menschlichen Wärme und geradezu väterlichen Führung wurde er von seinen Mitarbeitern, seien es Kollegen, medizinisch-technische Assistentinnen oder Sekretärinnen gleichermaßen verehrt und geliebt.

Zwangsläufig mussten seine Geradlinigkeit und Offenheit in Verbindung mit seiner Fähigkeit zum Querdenken zu Verwerfungen in der Härte des universitären Alltags führen. Durch seine klinische Tätigkeit, seine Vortragstätigkeiten und durch seine wissenschaftliche Arbeit ist Volker Schusdziarra in der Gastroenterologie und Ernährungsmedizin ein geschätzter Arzt und anerkannter Wissenschaftler und eine Persönlichkeit gewesen, die weit über nationale und internationale Grenzen hinaus anerkannt und gehört wurde.

Gastroenterologie und Ernährungsmedizin verlieren viel zu früh einen herausragend profilierten Arzt, Wissenschaftler und Lehrer. Persönlich verliere ich einen langjährigen Weggefährten, Kollegen und Freund. Für all die Jahre, die ich ihn in der Klinik, in der Deutschen Adipositas Gesellschaft, im Ultraschall und in der Ernährungsmedizin begleiten durfte bin ich dankbar. Mein Beileid gilt seiner Frau und den beiden Kindern, die seine Neigung und Liebe zur Medizin und Wissenschaft fortführen und ihm damit die größte Freude machen.

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Prof. Dr. med. Volker Schusdziarra 
(Bild mit freundlicher Genehmigung von J. G. Wechsler)