Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(3): 95-96
DOI: 10.1055/s-0033-1362601
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Geburtshilfe
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Wassergeburt – Wehentätigkeit und Geburt im Wasser

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Publication Date:
23 July 2014 (online)

Hintergrund: Viele Schwangere möchten die Wehen und / oder die Geburt im Wasser erleben. Der Entbindung im Wasser werden günstige Effekte auf die maternale kardiovaskuläre Physiologie, das Schmerzempfinden, maternale und fetale Stress-Level sowie die Geburtsdauer zugeschrieben. Zu den gefürchteten Komplikationen zählen das maternale und neonatale Infektionsrisiko, Störungen der neonatalen Thermoregulation, Nabelschnurriss beim Herausheben des Kindes aus dem Wasser sowie die kindliche Aspiration von Wannenwasser.

Methoden: Die Autoren der „American Academy of Pediatrics“ sowie des „American College of Obstetricians and Gynecologists“ analysieren die Literatur (Einzelstudien sowie Metaanalysen) zu Wehentätigkeit und Entbindung im Wasser bezüglich Nutzen und Risiken. Sie differenzieren hierbei hinsichtlich des Wasserkontakts in der ersten bzw. zweiten Geburtsphase.

Ergebnisse: Die ausgewerteten Untersuchen zeigen eine große Heterogenität im Studiendesign sowie eine meist geringe Fallzahl und fehlende Verblindung. Art und Dauer der Wasseranwendungen variieren stark.

Die Auswertung der Daten der randomisierten kontrollierten Studien zeigte, dass Schwangere, die in der ersten Phase der Geburt Wasseranwendungen erhalten hatten, im Vergleich zur Kontrollgruppe seltener eine epidurale, spinale oder parazervikale Analgesie benötigten (478/1254 vs. 529/1245; Risk Ratio RR 0,90; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,82-0,99; 6 Studien). Zudem fand sich eine Verkürzung der Eröffnungsperiode (mittlere Differenz -32,4 min; 95 %-KI -58,7 bis -6,13). Die Rate der Geburtsverletzungen (RR 1,16; 95 %-KI 0,99-1,35; 5 Studien), der vaginal-operativen (RR 0,86; 95 %-KI 0,71-1,05; 7 Studien) sowie der Sectio-Entbindungen (RR 1,21; 95 %-KI 0,87-1,65; 8 Studien) war zwischen den Studiengruppen ähnlich. Wasseranwendungen in der Austreibungsperiode verbesserten lediglich die maternale Zufriedenheit. In keiner Untersuchung konnte ein Benefit für das Neugeborene bei maternalem Baden während der beiden Geburtsphasen gefunden werden. Obwohl postuliert wird, dass eine Wasseraspiration des Neugeborenen aufgrund des protektiven Tauchreflexes nicht möglich sei, beschreiben Fallberichte schweren neonatalen respiratorischen Distress. Auch Studien an Tieren sowie die Literatur zur Mekoniumaspiration legen nahe, dass bei beeinträchtigten Feten der Tauchreflex aufgehoben ist, was zur Aspiration führen kann. Die Synthese der randomisierten kontrollierten Studien konnte hingegen keine erhöhte Rate negativer Auswirkungen auf Mutter und Kind bei Wasseranwendung im Geburtsverlauf nachweisen.

Fazit

Obwohl Wasseranwendungen während der ersten Geburtsphase den Analgetikabedarf senken und die Geburtsdauer verkürzen, konnte keine Verbesserung des neonatalen Outcome festgestellt werden. Das Baden sollte keinesfalls die Betreuung der Schwangeren, insbesondere das maternale und fetale Monitoring, beeinträchtigen. Die Autoren fordern von den Entbindungseinrichtungen die Etablierung strenger Protokolle hinsichtlich Patientenselektion, Hygienemaßnahmen sowie Verfahren bei maternaler oder fetaler Notsituation. Die Sicherheit und Effektivität des Badens während der Austreibungsphase sowie ein maternaler oder fetaler Benefit konnten nicht nachgewiesen werden. Aufgrund der beschriebenen seltenen schweren Komplikationen beim Neugeborenen, so die Autoren, sollte die Wassergeburt als ein experimentelles Verfahren angesehen und nur im Rahmen klinischer Studien durchgeführt werden.

Dr. Christian Weber, Künzel