Z Gastroenterol 2014; 52 - P_5_14
DOI: 10.1055/s-0033-1361023

Epidemiologische Entwicklung und Genotypisierung von Patienten mit einer chronischer Hepatitis B in Deutschland: Hinweise für einen Rückgang des Genotyp A zu Gunsten des Genotyp D

AL Bissinger 1, C Fehrle 2, CR Werner 2, D Egetemeyr 2, NP Malek 2, CP Berg 2
  • 1Labor Professor Gisela Enders, Stuttgart, Germany
  • 2Medizinisches Universitätsklinikum, Innere Medizin I, Tübingen, Germany

Zielsetzung: Die Daten zur Prävalenz und geographischen Verteilung der HBV-Genotypen sind in vielen Teilen der Welt unvollständig und teilweise auch schon älteren Datums. Dies erscheint bedeutsam vor dem Hintergrund, dass die autochthone Zusammensetzung der HBV-Genotypen in unterschiedlichen Teilen der Welt durch Migrationsbewegungen beeinflusst werden könnte. Ziel dieser Arbeit ist es, die epidemiologische Situation in verschiedenen Altersklassen von Patienten mit chronischer Hepatitis B mit der Prävalenz einzelner HBV-Genotypen abzugleichen, um so Rückschlüsse auf Veränderungen hinsichtlich zukünftig zu erwartender Genotypenverteilung zu erfassen.

Patienten und Methoden: 408 Patienten mit chronischer Hepatitis B, die sich im Jahre 2009 in der Medizinischen Poliklinik des Tübinger Universitätsklinikums vorstellten, wurden hinsichtlich virologischer und epidemiologischer Daten retrospektiv ausgewertet.

Ergebnisse: 62,5% der Patienten waren männlich, 37,5% der Patienten waren weiblich, das Durchschnittsalter war 37 Jahre. Die geographische Herkunft konnte bei 400 Patienten erhoben werden. Dabei ließen sich neben Deutschland 40 weitere Herkunftsländer identifizieren. Der Anteil der Patienten mit Migrationshintergrund lag bei 81%. Eine HBV-Genotypisierung lag bei 276 der 408 Patienten vor. Der Genotyp A war lediglich bei Patienten aus Mitteleuropa vorherrschend (55,8%) und hier besonders bei älteren Patienten. So nimmt bei mitteleuropäischen Patienten der Anteil an Genotyp A mit abnehmendem Alter ab (71,4% bei Patienten > 45 Jahre, 68,7% bei Patienten zwischen 45 und 30 Jahren, 20,0% bei Patienten < 30 Jahre) wohingegen der Anteil an Genotyp D mit abnehmendem Alter zunimmt (28,6% bei Patienten > 45 Jahre, 31,3% bei Patienten zwischen 45 und 30 Jahren, 60,0% bei Patienten < 30 Jahre). Bei den Migranten aus Süd- und Ost-Europa, aus Russland, Zentralasien, der Türkei und dem Nahen Osten dominierte klar der weltweit vorherrschende Genotyp D (81,1% – 94,2%), die Migranten aus Ost- und Südost-Asien zeigten vor allen Genotyp C (64,0%), die Migranten aus Afrika vor allem Genotyp E (66,7%).

Schlussfolgerung: Unsere Daten legen nahe, dass der bisher in Deutschland dominierende Genotyp A an Bedeutung verlieren und in absehbarer Zeit durch den Genotyp D ersetzt werden könnte. Als verantwortlich für diese Verschiebung sind Migrationsbewegungen von Patienten aus HBV-Genotyp D Hochprävalenz-Regionen nach Deutschland bzw. Zentraleuropa anzunehmen, wobei gleichzeitig autochthone HBV-Infektionen mit dem Genotyp A in Deutschland – dank zunehmender Hepatitis-B-Immunisierung – abnehmen.