Der Klinikarzt 2013; 42(9): 390
DOI: 10.1055/s-0033-1358590
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Sportmedizin: Ein wichtiger Baustein für Prävention und Therapie

Herbert Löllgen
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Publication Date:
07 October 2013 (online)

Zahlreiche Studien aus dem Bereich der Sportmedizin haben gezeigt, dass Bewegung, körperliche Aktivität oder Sport in Prävention, Therapie und Rehabilitation zahlreicher Krankheiten eine wichtige und zentrale Maßnahme in Klinik und Praxis darstellen. Hierbei besteht – das zeigen viele auch neuere Studien – eine sehr hohe Evidenz. Im vorliegenden Heft werden einige Aspekte zur körperlichen Aktivität dargestellt. Ohne Bewegung ist eine Therapie von Rückenbeschwerden nicht denkbar, denn die sitzende Tätigkeit vieler Menschen verstärkt die „Volkskrankheit“ Rückenschmerz. Bei Arthrosen wurde bisher stets Schonung empfohlen, dennoch gilt auch heute, dass bei Gelenkveränderungen und Arthrose je nach Schweregrad regelmäßige Bewegung sinnvoll und sogar indiziert ist. Hinzu kommt, dass viele Patienten mit Arthrose häufig Übergewicht haben. Körperliche Aktivität hilft, neben Änderungen der Essensgewohnheiten, dieses Übergewicht moderat abzubauen.

Von großer Bedeutung hat sich körperliche Aktivität zur Vorsorge und Therapie bei Tumorleiden und Diabetes mellitus herausgestellt. Vor allem die Häufigkeit von Darmkrebs und Mammakarzinom kann durch regelmäßige Bewegung bis zum Sport signifikant gesenkt werden, eine Maßnahme, die nicht oft genug angeboten werden kann. Auch während einer Chemotherapie und in der Nachsorge von Tumorerkrankungen hat körperliche Aktivität heute einen hohen Stellenwert, so kann die auftretende Schwäche (Fatigue) durch ein Bewegungsprogramm deutlich gemildert werden. Bemerkenswert sind auch neuere Befunde, wonach körperliche Aktivität die kardiotoxische Wirkung von Chemotherapeutika (Anthrazykline) abmildern oder aufheben kann.

Hat vor kurzem noch eine kritische Stellungnahme des IQWIG körperliche Aktivität bei Diabetes mellitus ablehnend beurteilt, so liegen heute zahlreiche Studien vor, die eine signifikant verbesserte Einstellung des Diabetes mellitus nachweisen, sowie eine Senkung der Tabletten- oder Insulindosis, wie auch der Sekundärkomplikationen. Eine Studie aus Potsdam hat zudem belegt, dass regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivität auch in der Freizeit zu einer Senkung der allgemeinen und kardiovaskulären Mortalität führt. Die Behandlung des Diabetes mellitus ohne ein Bewegungsprogramm muss heute fast als Behandlungsfehler angesehen werden.

Hier hat, wie auch bei anderen Krankheiten, ein Rezept für Bewegung eine wichtige motivierende Funktion für alle präventiven Beratungen bei bewegungsarmen Patienten und Personen. Die klinische Analyse zeigt, dass in der Tat körperliche Aktivität wie ein Medikament gehandhabt werden muss. Körperliche Aktivität umfasst Indikationen, Dosierung und Wirkungsnachweise. Dabei besteht eine breite Wirkungspalette, also eine pleiotrope Wirkung wie in der Pharmakologie. Dies kann mit keiner Tablette, nicht einmal mit der „Polypill“ erreicht werden. Bewegung muss in Zukunft als Medizin und Therapie verordnet und Sport auf Rezept verschrieben werden. Eine Entwicklung, der sich auch die Kostenträger nicht mehr verschließen. Bereits haben einige Krankenkassen erkannt, dass eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung vor körperlicher Aktivität und Sport ein wichtiger Schritt zur Prävention und zur Motivation ihrer Mitglieder darstellt.

In vielfältiger Weise bewirkt körperliche Aktivität nicht nur eine Verbesserung der Lebensqualität und im Alter der Selbstbestimmung, sondern führt auch, wie viele Studien belegen, zu einer deutlich besseren und längeren Lebenserwartung. Dies zeigt insbesondere die „Therapie“ der Demenz mit körperlicher Aktivität, welche bisher das einzige wirksame „Medikament“ zur Verzögerung oder gar Verhinderung darstellt.

Im Bereich von Unfallvorbeugung und Prävention (Osteoporose, Sturzprophylaxe) ist Bewegung als Therapie ein wichtiger Baustein. Nach Unfällen oder Operationen sind neben physiotherapeutischer Behandlung sportmedizinische Maßnahmen unentbehrlich und sehr wirksam.

Es bleibt der Wunsch, dass sich diese Erkenntnisse, körperliche Aktivität als wichtiger Baustein von Prävention und Therapie, auch in Klinik und Praxis sowie bei allen Personen im Gesundheitswesens durchsetzen sollte, nicht zuletzt bei den Politikern. Veranstaltungen zum Thema Prävention, ohne dass die Aspekte von Bewegung und körperlicher Aktivität erwähnt werden, müssen der Vergangenheit angehören.