Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2013; 02(05): 516
DOI: 10.1055/s-0033-1358400
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Wo die Evidenz an ihre Grenzen stößt

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Publication Date:
11 October 2013 (online)

Die evidenzbasierte Medizin stützt sich auf beste wissenschaftliche Beweise. Sie soll Ärzten als Sicherungsanker bei ihren Entscheidungen dienen und Behandlungsfehler eindämmen. Doch ist eine Medizin, die auf verlässlichen Statistiken beruht, immer auch die richtige Medizin? Dieser Frage geht die Dokumentation „Heilen wie am Fließband“ nach, die am 17. September auf arte ausgestrahlt wurde.

Die 16-jährige Ellen leidet an einer seltenen Muskelschwäche. Das Standardmedikament verträgt sie nicht. Weil das, was ihr hilft, nicht hinreichend mit Evidenz belegt ist, zahlen Ellens Eltern die Behandlung ihrer Tochter aus der eigenen Tasche – 1.000 Euro monatlich, weit mehr, als sich die Landwirte eigentlich leisten können. An Evidenz fehlt es dem Medikament aus einem Grund: Es gibt so wenig Kinder mit Ellens Erkrankung, dass es für eine randomisierte, kontrollierte Studie schlicht nicht genug Probanden gibt.

Mit dieser Geschichte beginnt der Film von Ingolf Gritschneder. Er erzählt auch von der Journalistin Sonia Mickich, die am eigenen Leib erlebt hat, was es bedeutet, in die Mühlen des Medizinbetriebes zu geraten. Sie berichtet, wie sie nur mit knapper Not überlebt hat. Der einzelne Kranke werde nur in den seltensten Fällen individuell betrachtet, so ihre Quintessenz. Doch der Film lässt auch Ärzte und Wissenschaftler zu Wort kommen, die die Untiefen eines Gesundheitssystems beklagen, das sich immer mehr an wirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientiert. Einer immer älter werdenden Bevölkerung steht eine schrumpfende Anzahl an Ärzten gegenüber. In dieser Situation ziehen die Krankenkassen ihre Stellschrauben – ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich, das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreitend – immer fester an.