Zahnmedizin up2date 2015; 9(1): 15-30
DOI: 10.1055/s-0033-1358075
Zahnerhaltung, Prävention und Restauration
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grenzfälle der Zahnerhaltung

Intraalveoläre Transplantation und intentionelle Replantation im Frontzahngebiet
Gabriel Krastl
,
Roland Weiger
,
Andreas Filippi
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Publication Date:
23 January 2015 (online)

Einleitung

Frontzahndefekte sind in der modernen Zahnmedizin durch verschiedene Maßnahmen problemlos restaurierbar. Es ist möglich, Funktion und Ästhetik wiederherzustellen, sofern der Zerstörungsgrad limitiert ist.

Vieles kann heute mit direkter Komposittechnik versorgt werden. Defekte, die sich bis in die Nähe der Gingiva erstrecken, erfordern üblicherweise eine Wurzelkanalbehandlung und den Einsatz laborgefertigter Restaurationen [1], [2].

Tiefe subgingivale Defekte gelten vielfach als nicht restaurierbar, und der Zahn wird dementsprechend als nicht erhaltungswürdig eingestuft. Zwar steht mit dem Implantat eine gute Möglichkeit zur Verfügung, um nicht erhaltungswürdige Zähne zu ersetzen, allerdings können Implantate nicht in jeder klinischen Situation und nicht in jeder Altersgruppe zum Einsatz kommen [3], [4].

Wurde bisher das Ende des skelettalen Wachstums fürs 20. Lebensjahr angenommen und ein Implantat auch im anterioren Oberkiefergebiet empfohlen, so zeigen aktuelle Studien, dass das Kieferwachstum doch wesentlich länger andauert. In einer wegweisenden Studie aus dem Jahre 2007 wurden Oberkieferfrontzahn-Implantatkronen 15 Jahre nach dem Setzen nachuntersucht. Das durchschnittliche Alter der Patienten zum Therapiezeitpunkt betrug 25 Jahre. Trotzdem war zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung in 60 % aller Fälle kein stabiles Ergebnis vorhanden. Bei 45 % der Männer trat eine Infraposition der Implantatkrone auf, während in der Gruppe der Frauen kein einziges Implantat stabil war [5].

Auch Studien aus dem kieferorthopädischen Bereich zeigen, dass wachstumsbedingte Veränderungen des Gesichtsschädels bis ins mittlere Erwachsenenalter zu erwarten sind [6].

Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, den frühesten Zeitpunkt für eine Implantatversorgung eher im Bereich des 30. Lebensjahres anzusiedeln.

Im Falle nicht erhaltungswürdiger Frontzähne vor dem Erreichen dieses Alters ist eine andere Therapie zu wählen.

Der kieferorthopädische Lückenschluss oder das Einsetzen einer Adhäsivbrücke bieten gute Möglichkeiten zur Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik nach Extraktion [4], [7], [8].

Die Transplantation eines Prämolaren in die Frontzahnregion ist eine weitere Alternative.

Sofern die Voraussetzungen bezüglich Zahngröße und Stand des Wurzelwachstums geeignet erscheinen, können fehlende oder nicht erhaltungswürdige Zähne somit auf biologische Weise ersetzt werden [9].

Mit der kieferorthopädischen Extrusion und der intraalveolären Transplantation (chirurgische Extrusion) stehen zwei zahnerhaltende Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Sie können die Grenzen der Zahnerhaltung bei vorhandenen tiefen subgingivalen Defekten erweitern (Abb. [1] und [2]).

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Abb. 1 Intraalveoläre Transplantation. a Zahn mit Kronen-Wurzel-Fraktur und subkrestalem Frakturverlauf palatinal. b Situation nach Entfernung des koronalen Fragments. c Extrusion ohne Rotation. d Replantation mit Rotation um 180°: So ist eine geringere Extrusion erforderlich, bis der Defekt supragingival liegt. Der Defekt ist jetzt restaurierbar.
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Abb. 2 Intentionelle Replantation. a Zahn mit subgingivalem Defekt aufgrund einer invasiven zervikalen Resorption. b Situation nach vorsichtiger Extraktion des Zahnes und Defektdarstellung. c Extraorale Restauration mit Komposit. d Zustand nach Replantation: Der restaurierte Defekt liegt an der gleichen Stelle in der Alveole.

Merke: Bei jungen Erwachsenen sollten Implantationen im Frontzahngebiet des Oberkiefers möglichst lange hinausgezögert werden und – sofern möglich – erst nach dem 30. Lebensjahr erfolgen.

 
  • Literatur

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