manuelletherapie 2013; 17(04): 145
DOI: 10.1055/s-0033-1356783
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Jochen Schomacher
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Publication Date:
19 September 2013 (online)

Schmerztherapie – einfach und faszinierend komplex

Schmerzen lindern wir Physiotherapeuten, indem wir vor allem mechanische und thermische Rezeptoren aktivieren. Deren sensorischer Input stimuliert Systeme wie Gate control und die absteigende Hemmung, die die „schmerzhaften“ Afferenzen bremsen [1], [2], [3], [4], [5], [6]. Mit welcher Technik dieser sensorische Input ausgelöst wird, ist wahrscheinlich unwichtig – es scheint allein auf die Dosierung anzukommen.

Zudem wollen wir besonders in der Manuellen Therapie natürlich auch die Aktivität der Nozizeptoren mindern, indem wir die mit den Symptomen des Patienten zusammenhängende Funktionsstörung im Bewegungssystem beheben.

So einfach kann es sein – könnte es sein!

Wäre der Schmerz nur ein neurophysiologisches Phänomen, müssten alle Menschen auf schmerzhafte Reize und lindernde Therapie ähnlich reagieren. Doch das tun sie nicht!

Schmerz ist eine Empfindung und wird als solche von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Wie andere Empfindungen kann sich der Schmerz vom Auslöser unabhängig und selbstständig machen. Betrachten Sie einen romantischen Sonnenuntergang! Diese Bilder prägen sich ein und kommen Ihnen bei anderer Gelegenheit wieder in den Sinn. Auslöser können alle Assoziationen sein, die Sie mit dem Sonnenuntergang verbinden. Auch andere Empfindungen wie der Schmerz können sich im Gedächtnis eingraben und bei allen möglichen Gegebenheiten wieder ins Bewusstsein drängen. Dieser chronische Schmerz ist im Gegensatz zum akuten nicht nützlich. Doch wie löscht man diese Art Schmerzgedächtnis?

„Schwierige“ Schmerzpatienten werden Sie nach der Lektüre der Schwerpunktartikel faszinierend finden! Mehr Verständnis öffnet Ihnen neue Wege in der Behandlung.

Unsere Autoren bieten Ihnen einen tiefen Einblick in das vielschichtige Phänomen Schmerz. Meine Traumbehandlung eines „therapieresistenten“ chronischen Schmerzpatienten werden Sie dann nachvollziehen können: Ich würde ihn in ein 5-Sterne-Wellnesshotel schicken. Der Begriff Schmerz existiert dort nicht. Alles dreht sich um Aktivitäten, die begeistern und wohltun, Sinn und Freude vermitteln, Freundschaften und neue Selbstwertgefühle schaffen. In dieser positiven heiteren Welt kann das Gehirn ein Schmerzgedächtnis löschen. Leider gibt es dies nicht von der Krankenkasse. Aber auch Physiotherapeuten können 5-Sterne-Wohlfühlpakete herbeizaubern – auf hohem Niveau und mit soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Lassen Sie sich inspirieren!

Ihr Jochen Schomacher

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  • Literatur

  • 1 Melzack R, Wall PD. The challenge of pain. Harmondsworth: Penguin; 1996
  • 2 Nijs J, Van Houdenhove B. From acute musculoskeletal pain to chronic widespread pain and fibromyalgia: Application of pain neurophysiology in manual therapy practice. Manual Therapy 2009; 14: 3-12
  • 3 Nijs J, Van Houdenhove B, Oostendorp RAB et al. Recognition of central sensitization in patients with musculoskeletal pain: Application of pain neurophysiology in manual therapy practice. Manual Therapy 2010; 15: 135-141
  • 4 Nijs J, Kosek E, Oosterwijck JV et al. Dysfunctional endogenous analgesia during exercise in patients with chronic pain: to exercise or not to exercise?. Pain Physician 2012; 15: ES205-ES213
  • 5 Nijs J, Daenen L, Cras P et al. Nociception affects motor output: A review on sensory-motor interaction with focus on clinical implications. Clinical Journal of Pain 2012; 28: 175-181
  • 6 Schmid A, Brunner F, Wright A et al. Paradigm shift in manual therapy?. Evidence for a central nervous system component in the response to passive cervical joint mobilisation Manual Therapy 2008; 13: 387-396