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DOI: 10.1055/s-0033-1354169
Kann man „Ethikkompetenz“ lernen? Ergebnisse der Evaluation eines Kursprogramms für Schüler und junge Erwachsene
Hintergrund: Im Rahmen des BMBF-geförderten Diskursprojekts „Ethics Literacy in Adolescents and Young Adults“ (ELYA) entwickelte das Autorenteam 2012/2013 das Konzept „Ethik-Universität“ zur Vermittlung von Ethikkompetenz und Förderung der Diskursfähigkeit für Schüler und junge Erwachsene am Beispiel der Regenerativen Medizin. Das Lehrangebot fand an vier Terminen á vier Unterrichtseinheiten im Herbst 2013 statt und wurde im Frühjahr 2013 mit einer neuen Teilnehmergruppe wiederholt. Das hier umgesetzte Konzept der „Ethics Literacy“ basiert auf den drei Ebenen des „Health Literacy“ Konzeptes nach Nutbeam: Die funktionale Ebene der Information umfasst Kenntnisse zu Sachstand und normativer Theorie. Die Ebene der Interaktion spricht kommunikative Fähigkeiten an, wie Empathie für Standpunkte anderer oder das Zurückhalten spontaner moralischer Urteile. Bei der Begründung einer Position sind die unter der Ebene Reflexion gefassten kognitiven Standards wie Explizitheit und logische Stimmigkeit zu berücksichtigen. Methodik: Das Lehrangebot bestand aus einer Kombination von Expertenvorträgen zur Regenerativen Medizin sowie zu ethischen Grundlagen (Funktionale Ebene). Weitere Schwerpunkte bildeten diverse interaktive Lernstationen und die durch geschulte Tutoren angeleitete Kleingruppenarbeit (u.a. Fallvignette zum therapeutischen Klonen, Planspiel zur Verteilung von Forschungsgeldern). Hier sollten die Teilnehmer in Kleingruppen zunächst vor dem Hintergrund einer zugewiesenen Position Argumente formulieren, gemeinsame Standpunkte finden und eine Gesprächskultur üben, die aus Zuhören und Empathie bestehen sollte (Interaktive Ebene). Danach folgte eine Interaktionsphase der Kleingruppen mit unterschiedlichen Positionen, in denen Pro- und Contra- Argumente ausgetauscht und am Ende ein gemeinsam getragener Konsens präsentiert werden sollte (Reflexive Ebene). Beide Veranstaltungszyklen wurden von den Teilnehmern im Hinblick auf die Verständlichkeit der Vorträge, die Arbeit in den Kleingruppen und den eigenen Lernerfolg bewertet (Notenskala von 1 – 6 bzw. Likert-Skala von sehr gut bis sehr schlecht). Die Daten wurden in eine Excel-Tabelle eingegeben und mit IBM SPSS Statistics 20 ausgewertet. Ergebnisse: Teilgenommen haben 227 Schüler (22,3% männlich), mittleres Alter 20 Jahre (Range 16 – 29 Jahre), davon 116 Schüler im ersten, 111 Schüler im zweiten Durchlauf. Sie kamen aus unterschiedlichen Schulen ((Fach-) Gymnasien, integrierten Gesamtschulen, Krankenpflege- und Berufsbildenden Schulen) der Stadt und der Region Hannover (N = 27). Der Erkenntnisgewinn aus den Vorträgen wurde bei den ethischen Themen im Mittel mit 2,5 (Range 2,2 – 3,3) benotet, bei der Regenerativen Medizin mit 2,2 (Range 1,4 – 2,6). Die Kombination Vorträge/interaktive Lernstationen erhielt die Note 1,7 (Range 1,0 – 3,0). 82% der Schüler brachten nach eigener Einschätzung ihre Argumente gut (49%) bis sehr gut (33%) in die Diskussion ein, etwas geringer ist die Anzahl derjenigen, die sich gut (36%) bis sehr gut (33%) in der Lage sahen, Pro- und Contra- Argumente auszutauschen. Die Gesprächskultur bewerteten 80% der Schüler mit gut (37%) bis sehr gut (43%). Dabei waren keine geschlechtsbezogenen Unterschiede festzustellen, minimale Unterschiede zwischen erster und zweiter Veranstaltungsreihe. Eine erneute Teilnahme an einer Ethik-Universität zu einem anderen Thema wünschten sich 82% der Schüler. Schlussfolgerung: Die Vermittlung ethischer Kompetenzen am Beispiel gesundheitsbezogener Themen ist gut durchführbar, erhöht das Wissen und fördert die Diskursfähigkeit. Dennoch ist diese „Ethik-Universität“ lediglich als ein erster Einstieg in eine Konzeptentwicklung zur Förderung der Diskursfähigkeit zu betrachten, eine Verzahnung zwischen der Ethik-Uni und anderen Unterrichtsinhalten der Schüler muss entwickelt werden.