Gesundheitswesen 2013; 75 - A210
DOI: 10.1055/s-0033-1354164

Diabetes mellitus mit Augenkomplikation richtig kodiert? Eine Analyse der ambulanten Abrechnungsdaten der AOK PLUS

A Schramm 1, J Klewer 2, J Kugler 3
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Dresden
  • 2Westsächsische Hochschule Zwickau
  • 3Medizinische Fakultät TU Dresden

Hintergrund: Das Klassifikationssystem des Morbi-RSA stellt höchste Ansprüche an die Kodierpraxis der Vertragsärzte, um eine valide Versichertenklassifikation und die damit einhergehende Verteilung von Beitragsgeldern sicher zu stellen. Eine unzureichend spezifische Verschlüsselung von Krankheitsausprägungen kann zu einer Unterschätzung der behandelten Morbidität und dem damit verbundenen Aufwand führen. Ziel der Analyse war zu untersuchen, ob bei Vorliegen eines Diabetes mellitus und einer Augenkomplikation die spezifische Diagnose verschlüsselt wurde. Methode: Datengrundlage für die Analyse waren die Abrechnungen der AOK PLUS (2,7 Mio. Versicherte) für die Jahre 2009 bis 2011. Es wurden knapp 250 Mio. Diagnosen und 3,1 Mio. DMP-Dokumentationen von ca. 11 Tsd. Vertragsärzten in Sachsen und Thüringen ausgewertet. Als Augenkomplikationen wurden die diabetische Katarakt (H28.0) und die diabetische Retinopathie (H36.0) herangezogen und auf das Vorliegen einer Diabeteskodierung mit Augenkomplikation (E10.3, E11.3, E12.3, E13.3, E14.3) geprüft. Weiterhin diente die Dokumentation des DMP Diabetes mellitus, in welcher die diabetische Retinopathie als Begleiterkrankung vermerkt werden kann, als Prädiktor für das Vorliegen einer Augenkomplikation. Ergebnisse: In der Analyse zeigte sich, dass von ca. 430.000 Diabetes mellitus Patienten 12.848 (2009, 14.990 (2010) und 12.865 (2011) trotz Augenkomplikation nicht die spezifische Diabeteskodierung erhalten haben. Dabei wurde der größte Anteil über das Vorliegen der Diagnose H36.0 identifiziert. Von 2009 zu 2010 stieg der Anteil von 69,7% auf 73,8%. Im Jahr 2011 war der Anteil rückläufig (71,2%). Bei einem guten Viertel der Patienten wurde jedoch keine Augenkomplikation verschlüsselt, aber im DMP Diabetes nellitus die diabetische Retinopathie vermerkt. Diese Patienten weisen eine doppelte Kodierlücke auf. Zum einen wurden der spezifische Diabetes und zum anderen die Augenkrankheit nicht kodiert. Die Anzahl der betroffenen Versicherten war nach einem leichten Anstieg von 2009 zu 2010 im Jahr 2011 ebenfalls leicht rückläufig (3.725, 3.866, 3.485). Schlussfolgerung: Die Dokumentation der Krankheit Diabetes mellitus gemäß dem Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) verlangt eine sehr differenzierte Anzeige des Krankheitszustandes, weil die krankheitsspezifischen Kosten sehr heterogen ausgeprägt sind. Die Analyse zeigte, dass in der hausärztlichen Versorgung diese Differenzierung nur begrenzt Berücksichtigung findet. Es wurde vornehmlich unspezifisch kodiert, obwohl gemäß der Abrechnung eine Augenkomplikation diagnostiziert und behandelt wurde. Im besonderen Maße galt dies für die durch das DMP identifizierten Versicherten, weil hier eine doppelte Kodierlücke angezeigt wurde. Im Morbi-RSA wird die gemessene Morbidität in diesen Fällen unterrepräsentiert und die Zuordnung zu den HMGs beeinflusst.