Gesundheitswesen 2013; 75 - A119
DOI: 10.1055/s-0033-1354095

Möglichkeit der Teilnahme von Brustkrebspatientinnen an Tumorkonferenzen

L Ansmann 1, N Ernstmann 1, C Kowalski 1, R Würstlein 2, M Wirtz 3, H Pfaff 1
  • 1IMVR – Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswisschenschaft der Universität zu Köln, Köln
  • 2Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München, München
  • 3Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg

Hintergrund: Tumorkonferenzen sind regelmäßige Treffen innerhalb eines multidisziplinären Behandlungsteams, in denen die Diagnose und Behandlung von Krebspatienten diskutiert wird. Laut den Zertifizierungskriterien für Brustzentren der Ärztekammer Westfalen-Lippe müssen mind. 95% der operierten Primärfälle postoperativ in Tumorkonferenzen vorgestellt werden. Betroffene Patientinnen können auf Wunsch an der Konferenz teilnehmen. Studien liefern erste Hinweise auf den Nutzen von Tumorkonferenzen für das Patientenmanagement und Überleben [1]. Jedoch haben sich bisher kaum Studien mit der Teilnahme von Patienten an der Tumorkonferenz beschäftigt [2]. In dieser Untersuchung gehen wir der Frage nach, welchen Brustkrebspatientinnen die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wird und welche Patientinnen dieses Angebot nutzen. Methoden: Es werden Querschnittsdaten der jährlich in den nordrhein-westfälischen Brustzentren stattfindenden Patientinnenbefragung von Februar bis Juli 2010 (n = 3856 Patientinnen aus 86 Krankenhäusern) ausgewertet. Patientinnen wurden gefragt, ob Ihnen die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten worden ist und ob sie das Angebot genutzt haben. In logistischen Regressions- und Mehrebenenmodellen wird untersucht, (1) ob sich das Angebot der Teilnahme hinsichtlich soziodemografischer und krankheitsbezogener Merkmale von Patientinnen unterscheidet, und (2) ob sich Patientinnen, die das Angebot teilzunehmen genutzt haben von Patientinnen unterscheiden, die das Angebot nicht genutzt haben. In der logistischen Mehrebenenanalyse wird außerdem untersucht, wie sehr die Tatsache, ob einer Patientin die Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wird, vom jeweiligen Krankenhaus abhängt. Ergebnisse: Laut der Patientinnenbefragung wurde 14% der Patientinnen angeboten, an der Tumorkonferenz teilzunehmen. Von diesen nahmen 58% an der Tumorkonferenz teil. Die Mehrebenenanalyse ergab, dass Patientinnen mit fortgeschrittenem Erkrankungsstadium seltener und jüngeren Patientinnen häufiger eine Teilnahme an der Tumorkonferenz angeboten wurde. Hinsichtlich der Nutzung des Angebotes zeigte sich im logistischen Regressionsmodell, dass Patientinnen, die neoadjuvant behandelt wurden und ein höheres Grading aufwiesen, häufiger an der Tumorkonferenz teilnahmen. Patientinnen mit Mastektomie nahmen seltener teil. Zudem beurteilten Patientinnen, die die Tumorkonferenz nutzten, die Beteiligung an Entscheidungen als höher. Der Anteil der befragten Patientinnen, denen die Teilnahme angeboten worden ist, variiert zwischen den Krankenhäusern von 0 bis 100% (MW = 14,5% SD = 19,4). Die Mehrebenenanalyse ergab, dass das Angebot der Teilnahme an der Tumorkonferenz zu ca. 28% davon abhängt, in welchem Krankenhaus die Patientin behandelt wurde. Schlussfolgerungen: Die Analysen ergeben, dass das Angebot der Teilnahme von Brustkrebspatientinnen an Tumorkonferenzen nach Erkrankungsstadium und Alter differenziert wird. Patientinnen mit komplexer Erkrankungslage nahmen eher an der Tumorkonferenz teil, da in diesen Fällen möglicherweise mehr bzw. schwierigere Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen die Anwesenheit und die Präferenzen der Patientin hilfreich sein können. Patientinnen nach Mastektomie nehmen möglicherweise aufgrund einer klareren Indikation und eines höheren Alters seltener an der Tumorkonferenz teil. Die Daten weisen trotz fehlendem Kausalitätsnachweis darauf hin, dass Patientinnen, die an der Tumorkonferenz teilgenommen haben, sich stärker an Entscheidungen beteiligt fühlten. Außerdem verdeutlicht die Mehrebenenanalyse, dass das Einladen von Patientinnen in die Tumorkonferenz deutlich zwischen den Krankenhäusern variiert. Neben der Beantwortung der wichtigen Frage, ob die Teilnahme einer Patientin an der Tumorkonferenz für die Patientin und das Behandlungsteam von Vorteil und umsetzbar ist, sollten sich weitere Studien damit befassen, wie das Angebot und die Teilnahme an der Tumorkonferenz in Krankenhäusern geregelt ist.