Gesundheitswesen 2013; 75 - A95
DOI: 10.1055/s-0033-1354076

Die Förderung psychischer Gesundheit in der Schule: Evaluation des Projekts „Schulcoaches – Seelische Fitness stärken“

S Corrieri 1, I Conrad 1, SG Riedel-Heller 1
  • 1Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig

Hintergrund: Ziel ist die Evaluation der zweiten Phase des Schulcoach-Projekts (2012 – 2013), das vom Leipziger Verein „Irrsinnig Menschlich e.V.“ entwickelt wurde. Durch den Einsatz eines Schulcoaches und unter Einbeziehung aller Beteiligten des Systems Schule sollen sowohl ein funktionierendes Netzwerk als auch eine Kommunikationsstruktur aufgebaut werden, die nachhaltig ein gesundes Schulklima schaffen. Im Unterschied zum Schulsozialarbeiter arbeitet der Schulcoach mit personenzentriertem und strukturellem Coaching und legt den Fokus verstärkt auf die Sensibilisierung für psychische Gesundheit. Daten/Methodik: Im Rahmen eines quantitativen longitudinalen Designs wurden Schüler der 5. und 9. Klassen (n = 553) sowie deren Lehrer (n = 186) und Eltern (n = 535) an fünf sächsischen Projektschulen zu 2 Zeitpunkten (T1 und 6 Monate später T2) befragt. Die erste Projektphase (2010 – 2012) zeigte Bedarf insbesondere im psycho-sozialen Bereich auf, so dass neben den fortgesetzten Themen Schulklima und Arbeit der Schulcoaches zusätzliche Aspekte wie Mobbing unter Schülern und Lehrergesundheit (Burnout) erfasst wurden. Die Analyse der Daten erfolgte sowohl deskriptiv als auch mittels Regressionsmodellen (random-effects-models) und zweiseitiger t-tests für unabhängige Stichproben. Ergebnisse: Die Auswertung der ersten schriftlichen Befragungen zeigte, dass die Schulcoaches Teil des Systems Schule geworden sind: Alle Zielgruppen wurden erreicht und stehen in Beziehung. Der Anteil derjenigen, die den Schulcoach persönlich kennen, stieg im Projektverlauf kontinuierlich an (Projektstart 2010: Schüler 27%, Lehrer 8%, Eltern: 85%): Schüler T1: 64%, Lehrer T1: 26%, Eltern T1: 99%. Weiter konnten die Schulcoaches einer wachsenden Zahl Hilfesuchender gut bzw. sehr gut helfen (Schüler: 74%, Lehrer: 58%, Eltern: 67%), so dass ihre Arbeit zunehmend als wichtig bzw. sehr wichtig eingeschätzt wird (Schüler: 68%, Lehrer: 80%, Eltern: 78%). Die Evaluation zeigte außerdem, dass Mobbing in allen Projektschulen verbreitet ist (Mobbing1: 7,34%, Mobbing2: 30,97% (Fragebogen: Smob)) und wesentlichen Einfluss auf Faktoren des Wohlbefindens hat (z.B. Integration, Leistungen, Lebensqualität, Optimismus). Der Anteil der Lehrer, die hohe bzw. sehr hohe Werte in einer Burnout-Kategorie (Fragebogen: Maslach Burnout Inventory) zeigten, lag zwischen 11% und 18%. Die Evaluation zeigt Wege, wie dieser Anteil gesenkt werden kann, z.B. durch Orte für ungestörte Gespräche, angemessene Vorbereitung auf Themen der psychischen Gesundheit oder eine enge Zusammenarbeit der Schule mit lokalen Einrichtungen. Diskussion/Schlussfolgerung: Die Evaluation zeigt, dass die Schulcoaches weiter an Einfluss gewinnen und die Beteiligten des Systems Schule zunehmend befähigen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Ziel der aktuellen Evaluation ist die Überprüfung der Nachhaltigkeit der Schulcoach-Arbeit durch die fortgesetzte Erfassung der psychischen Gesundheit von SchülerInnen und Lehrern sowie des Schulklimas und der Partizipationsmöglichkeiten der Befragten. Die Ergebnisse der zweiten Befragung werden im Poster präsentiert. Langfristig steht die Erfassung von Rahmenbedingungen im Blickpunkt, die eine erfolgreiche Implementierung der Schulcoach-Arbeit jenseits des Pilotprojekts begünstigen, wie z.B. die Ausbildung der Schulcoaches.