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DOI: 10.1055/s-0033-1354039
Die 1. Kosten-Nutzen-Bewertung des IQWiG – Ergebnisse und Methodische Aspekte am Beispiel der Antidepressiva Bewertung
Einleitung/Hintergrund: Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) sieht die explizite Möglichkeit einer Kosten-Nutzen-Bewertung (KNB), d.h. einer gesundheitsökonomischen Betrachtung, von Arzneimitteln vor. Noch unter der alten Gesetzeslage vor dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das zum 01.01.2011 in Kraft trat, hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Auftrag zur Bewertung von vier Antidepressiva (Bupropion, Duloxetin, Mirtazapin, Venlafaxin) vergeben. Mit dem AMNOG hat sich geändert, wer und wie eine KNB beauftragt werden kann und dass diese nunmehr Informationen für die Verhandlungen liefern soll, in denen ein Erstattungsbetrag zwischen GKV und pharmazeutischen Unternehmern ausgehandelt werden soll. Jedoch bleibt die Fragestellung bestehen, dem Entscheidungsträger bzw. den verhandelnden Parteien mit einer KNB Informationen für einen angemessenen und zumutbaren Preis zu liefern. Daten/Methodik: Es wurde eine Kosteneffektivitätsanalyse für die medikamentöse Therapie mit Antidepressiva auf Basis des Effizienzgrenzenansatzes durchgeführt. Hierzu wurde ein entscheidungsanalytisches Markov-Modell für eine Kohortensimulation entwickelt. Für die patientenrelevanten Endpunkte der Therapie (Ansprechen, Remission, Lebensqualität, Therapieabbruch, Rückfall) wurde die Kosteneffektivität der Prüfsubstanzen Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin im Vergleich zu anderen erstattungsfähigen Antidepressiva des Indikationsgebiets (Trizyklische Antidepressiva, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Agomelatin, Trazodon) ermittelt. Es wurden Analysen über den studienbelegten 2-Monats-Zeithorizont aus GKV-Versicherten-Perspektive und über einen 12-Monats Zeithorizont aus GKV-Versicherten-Perspektive und gesellschaftlicher Perspektive durchgeführt. Um dem Entscheidungsträger ein Bild zur gesamten Unsicherheit zu geben, wurden die Ergebnisse der probabilistischen Sensitivitätsanalysen zum Erstattungspreis in Form von 50%-Interquartilsregionen (50% IQR) dargestellt. Ergebnis: In der vorliegenden Untersuchung konnte für alle Prüfsubstanzen in den Endpunkten Ansprechen und Remission für den Kurzzeithorizont aus der GKV-Versichertenperspektive ein zusatznutzenbereinigter Erstattungspreis ermittelt werden. Für die Endpunkte Remission und Ansprechen ergaben sich Erstattungspreise von 42,99 (50% IQR: 35,33 – 83,04) bzw. 40,91 € (50% IQR: 31,22 – 54,25) für Venlafaxin, 31,66 (50% IQR: 20,68 – 44,90) bzw. 24,28 € (50% IQR: 14,29 – 35,96) für Mirtazapin, 30,66 (50% IQR: 22,94 – 69,66) bzw. 9,30 € (50% IQR: 0,35 – 21,95) für Duloxetin und 2,93 (50% IB: 0 – 10,32) bzw. 1,48 € (50% IQR: 0 – 8,29) für Bupropion. Diskussion/Schlussfolgerung: Das Verhältnis zwischen ihrem Nutzen für die Patienten und dem Betrag, den die Kassen dafür erstatten, weist bei den Wirkstoffen deutliche Unterschiede auf. Bei allen vier Medikamenten liegt der aktuelle Erstattungsbetrag über den aus den jeweiligen Effizienzgrenzen abgeleiteten 'angemessenen‘ Preisen. Das Konzept des Zusatznutzens fügt sich sinnvoll in das generelle Konzept des Zusatznutzens der evidenzbasierten Medizin und der relativen Effektivitätsbewertung ein. Dabei werden die Daten aus unterschiedlichen Bereichen wie z.B. Metaanalyseergebnisse aus direkten oder indirekten Nutzenbewertungen oder Ressourcen- und Kostenerhebungen systematisch, explizit und transparent in einem entscheidungsanalytischen Modell zusammengeführt, um dem Entscheider ein Gesamtbild zu geben. Darüber hinaus dienen die Ergebnisse der formalen modellbasierten Unsicherheitsanalysen dem Entscheider, anderen Wissenschaftlern und der Gesellschaft (1) entscheidungsunterstützend bei Erstattungsentscheidungen, (2) verhandlungsunterstützend durch die Darstellung des Verhandlungsspielraums angesichts der Unsicherheit und (3) forschungsunterstützend bei der evidenzbasierten Identifikation von Bereichen, in denen noch bessere empirische Evidenz zu generieren ist.