Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(4): 151
DOI: 10.1055/s-0033-1352610
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Buchbesprechung – Humor in Psychiatrie und Psychotherapie. Neurobiologie – Methoden – Praxis

Contributor(s):
Manfred Gaspar
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Publication Date:
30 July 2013 (online)

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Kennen Sie, geneigte Lesende, das „7-Humor-Habits-Trainingsprogramm“, oder, kürzer formuliert, das „7HHP“? Sollte diese Frage mit „Nein“ beantwortet werden, eröffnet sich die Chance, es kennenzulernen bei der Lektüre eines kompakten Werkes mit dem Titel „Humor in Psychiatrie und Psychotherapie. Neurobiologie-Methoden-Praxis“. Als Herausgeberin firmiert Barbara Wild, Leiterin der Arbeitsgruppe Kognitive Neuropsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen und dortselbst auch als niedergelassene Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie tätig. Gemeinsam mit 19 Mitautoren, darunter Verena Kast, Reinhard Lempp und Ulrich Sachsse, legt sie ein Handbuch vor, das einem Schatzkästlein gleicht. In 19 Kapiteln, vordergründig eklektisch zusammengefügt, werden in eingängiger Systematik grundlegende Themenkomplexe behandelt. Einleitend wird zunächst sprachlicher Wirrwarr zwischen Humor, Lachen, Witz und Komik präzisiert. Die Herausgeberin stellt neurobiologische Erkenntnisse über Witzwahrnehmungen und Witzverständnis dar und beschäftigt sich mit der Frage, „wie einzelne psychische Erkrankungen sich auf Humor, die Freude an Komik oder die Fähigkeit, witzig zu sein, auswirken und was über krankheitsspezifische humorvolle Interventionen bekannt ist“. Zentral wird Humor als Element in der Psychotherapie betrachtet. Vertreten sind dabei tiefenpsychologische und verhaltenstherapeutische Ansätze, aber auch hypnosystemische, provokante und kunsttherapeutische Interventionen. Schließlich werden die direkt auf Förderung von Humor und Heiterkeit zielenden therapeutischen Interventionen dargestellt. Werden anfänglich Humor und Lachen „als Teilaspekte oder Werkzeuge der Therapie“ betrachtet, geht es dann um eine Steigerung von „Humorfähigkeiten“ im Sinne einer Copingstrategie. Und damit sind wir beim „7HHp“ angelangt: Paul E. McGhee hat ein Trainingsprogramm entwickelt, dessen vollständiger Name „Humor as Survival Training for a Stressed-Out World: The 7 Humor Habits Program“ lautet. Ursprünglich gedacht, um „Durchschnittsmenschen“ zu vermitteln, wie Humor im Alltagsstress angewendet werden kann, zeigen sich erste Hinweise, dass mit Hilfe dieses Programms auch Reduktionen klinischer Depressionen und Angst erreicht werden können. In einem weiteren Kapitel vermittelt Rolf Hirsch seine vielfältigen Erfahrungen mit einer Humorgruppe für gerontopsychiatrische Patienten und schließlich werden die Geschichte der Lachyogabewegung, die Behandlung von Menschen, die Angst davor haben, ausgelacht zu werden (Gelothophobiker) und die vielfältig positiven Erfolge von Klinikclowns in Krankenhäusern eingehend vorgestellt. Zum Abschluss verrät Eckart von Hirschhausen, wie viel schwere Arbeit hinter der vermeintlichen Leichtigkeit eines guten Witzes steckt. Jedes Kapitel enthält ein Literaturverzeichnis und am Ende steht ein umfangreiches Personen- und Sachverzeichnis. Das Werk deckt mannigfaltige Lesebedürfnisse ab: Es ist informativ, unterhaltsam (auch durch Cartoons und vielfältige Witze) und lehrreich. Für Psychotherapeuten jedweder Richtung taugt es als Quelle von Inspiration. Für den Bereich Palliative Care gibt es wichtige Anregungen – nicht zuletzt zur Burnout-Prophylaxe.

Kein geringerer als Otto F. Kernberg hat das Geleitwort verfasst, in dem er die von Siegmund Freud beschriebenen Mechanismen der Verdichtung, Verschiebung, Verkehrung in das Gegenteil und Symbolisation in Witzen als primäre Abwehrmechanismen erwähnt und auch die Ich-stärkende Funktion des Sinns für Humor gegenüber dem Über-Ich. Dennoch, so Kernberg, blieben viele Fragen offen. Zum Beispiel die danach, in welchem Zusammenhang die Fähigkeit der Freude an Witzen und Humor mit normalen und anormalen seelischen Funktionszuständen und verschiedenen Psychopathologien stünden. Oder, im Hinblick auf die moderne neurobiologische Forschung, die Frage nach den korrespondierenden Hirnsubstraten, die eine Aktivierung der spezifischen psychologischen Funktionen von Humor und Lachen erlaubten. Das vorliegende Buch beschäftige sich wesentlich mit diesen Fragen, biete wichtige Antworten und schaffe neue Herausforderungen für unsere Wissenssuche in diesem Gebiet. Zudem biete es einen originellen, erfrischenden, Gedanken anregenden Zugang zu unserem Verständnis von Humor, Lachen und der Komik.

Dieser Einschätzung Kernbergs ist nichts hinzuzufügen.