Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(4): e3-e4
DOI: 10.1055/s-0033-1352600
Palliativ Pflege
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Punktion der Portkammer – eine delegierbare Tätigkeit?

Oliver Tolmein
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Publication Date:
30 July 2013 (online)

Rechtliche Aspekte

In der Praxis, insbesondere in der ambulanten Versorgung, übernehmen Pflegekräfte nach entsprechender Delegation durch den Arzt auch die Punktion von Portkathetersystemen [1]. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege (Neufassung vom 17.9.2009, zuletzt geändert am 21.10.2010) wird im Leistungsverzeichnis, das als Anlage beigefügt ist, allerdings „Wechseln und erneutes Anhängen des ärztlich punktierten Port-a-cath zur Flüssigkeitssubstitution oder parenteralen Ernährung“ aufgeführt. Da hier ausdrücklich und nur von einer vom Arzt vorgenommenen Punktion die Rede ist, nehmen manche Juristen an, dass die Punktion eines Portsystems keine delegierbare Leistung darstellt: „Ist für eine Tätigkeit ärztliches Fachwissen erforderlich, das man nur im Rahmen eines Medizinstudiums erwerben kann, darf sie vom Arzt nicht an Sie (die Pflegekräfte, Anm. d. Verf.) delegiert werden. Das Punktieren eines Port-a-cath erfordert ärztliches Fachwissen. Das lernen Sie auch nicht in Ihrer Ausbildung zur Pflegefachkraft [2].“

Delegation ärztlicher Aufgaben: Möglichkeiten und Grenzen

Die DKI-Studie im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft sieht für den stationären Bereich dagegen die Punktion von Portsystemen als „kurzfristig übertragbar“, stuft sie dort aber in die höchste Kategorie (5) ein: „Die erforderliche Qualifikation des nicht-ärztlichen Mitarbeiters wird durch eine qualifizierende Ausbildung und eine strukturierte Weiterbildung nachgewiesen, wobei die Delegation nur im Einzelfall unter Aufsicht eines Arztes erfolgt (zum Beispiel die Punktion eines Portkatheters durch Krankenpflegekräfte) [3].“ Die Ärztekammer Berlin hat in ihren Überlegungen zur „Möglichkeit der Delegation ärztlicher Leistungen bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ (Stand Oktober 2010) festgehalten, dass nur höchstpersönlich zu erbringende Leistungen des Arztes grundsätzlich nicht delegiert werden können. Dagegen seien alle anderen Leistungen delegierbar, so auch die Portpunktion [4]. Dabei sei bei der Delegation von SAPV-Leistungen zu beachten, dass sich der Arzt hierbei in der Regel nicht vor Ort befindet und somit ein Eingreifen im Falle von Komplikationen nicht gewährleistet sein kann. Damit bezieht sich die Ärztekammer Berlin auf die Stellungnahme von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung von 2008 zu „Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen“, die vom delegierenden Arzt verlangt, sich „grundsätzlich in unmittelbarer Nähe (Rufweite) aufzuhalten“. Hier wird deutlich, dass sich die bisherige Debatte zur Delegation ärztlicher Leistungen schwerpunktmäßig mit Konstellationen in Krankenhäusern oder Arztpraxen befasst, allenfalls noch mit stationären Einrichtungen wie Pflegeheimen – ein Aspekt, den auch die aktuelle „Resolution zur Delegation“ der Ärzteverbände aufgreift, die vorsichtig und „vor dem Hintergrund des Nachwuchsmangels“ die Delegation als sinnvolle Maßnahme „in Praxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen“ ansieht.

Der Hinweis der Ärztekammer Berlin auf den nicht anwesenden Arzt unterstreicht die Besonderheit bei der Delegation von ärztlichen Leistungen in der allgemeinen ambulanten Versorgung, die allerdings für die ambulante Palliativversorgung in besonderem Maße relevant ist.[1] Hier geht es jeweils nicht nur um die Problematik bei der Delegation an sich, sondern jeweils um ihre besonderen Modalitäten, in denen der delegierende Arzt keineswegs auf Abruf bereit steht.


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Sonderfall Palliative Care

Gleichzeitig ist die Situation in der ambulanten palliativmedizinischen Versorgungskonstellation dadurch geprägt, dass es hier um außerordentlich kranke Patienten geht, die gleichzeitig ein hohes Interesse daran bekunden, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben. Es gibt also einerseits einen Bedarf an vergleichsweise schwierigen und riskanten Behandlungsmaßnahmen, der aber aufgrund des personellen und ökonomischen Versorgungsangebots zumeist nicht von Ärzten gedeckt werden kann, unter Umständen auch nicht gedeckt werden soll.[2]

Hier geht die Frage der Delegierbarkeit ärztlicher Leistungen über das bislang diskutierte Problemfeld deutlich hinaus, indem sie die Möglichkeit ambulanter Versorgung überhaupt infrage stellt. Darf beispielsweise die Punktion des Ports nicht an die Pflegekräfte des Palliativpflegedienstes delegiert werden, ist unter Umständen die Versorgung des Patienten zu Hause nicht mehr sichergestellt – im Ergebnis müssten die Betroffenen dann in eine stationäre Einrichtung verlegt werden.

Damit verschiebt sich auch die Perspektive, aus der die Möglichkeit zur Delegation diskutiert werden muss: In den Blick zu nehmen ist neben der Behandlungsmaßnahme an sich auch deren Umfeld bzw. die Frage nach der Alternative. Das setzt allerdings, insbesondere hinsichtlich des neuen Patientenrechtegesetzes voraus, dass entsprechend § 630 f BGB eine umfassende Aufklärung (durch den behandelnden Arzt) stattgefunden hat und der Patient über die möglichen Schwierigkeiten und Risiken einer Delegation aufgeklärt ist und so entsprechend § 630 d BGB informiert und wirksam eingewilligt hat. Diese Aufklärung und die entsprechende Einwilligung muss mündlich erfolgen, sie ist aber präzise zu dokumentieren.


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Grenzen der Delegation

Zweifelsohne gibt es bei der ambulanten Versorgung absolute Grenzen der Delegation: Chirurgische Eingriffe oder die Ersteinstellung von Schmerzmedikationen, um nur zwei Möglichkeiten zu nennen, werden auch weiterhin aus guten Gründen Ärzten vorbehalten bleiben, weil es sich hier um komplexe Vorgänge handelt, die auch nicht im Rahmen einer entsprechenden Fort- oder Weiterbildung vermittelt werden können. Das ist bei der Punktion eines Portsystems aber nicht der Fall: Hier sind zwar besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und Sorgfaltspflichten zu beachten, es handelt sich aber doch um eine klar abgrenzbare Tätigkeit mit einem überschaubaren Risikopotenzial. Die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs 3 c SGB V“[3] führt daher auch die „intravenöse Applikation von Zytostatika mit Positivliste nach festgelegtem Schema (i. d. R. über den liegenden Portkatheter)“ als übertragbare ärztliche Tätigkeit auf, wenn entsprechende Kenntnisse über Indikationen, Kontraindikationen und Komplikationen von Zytostatika und über die Portkatheter-Pflege vorhanden sind. Auch wenn die Richtlinie nicht für den Alltag von Palliativpflegediensten heute, sondern für ausgewählte Modellvorhaben nach § 63 Abs 3 c SGB V entwickelt wurde unterstreicht sie doch, dass die Arbeit an einem Portkatheter auch entsprechend qualifizierten Pflegekräften anvertraut werden kann und nicht grundsätzlich ausgeschlossen erscheint. Was für die Applikation von Zytostatika gilt, ist dann auch auf andere Behandlungen zu übertragen – es müssen aber auch die entsprechenden Qualifikationen vorhanden sein und dokumentiert werden.

Wünschenswert und für alle Beteiligten entlastend wäre allerdings, wenn es über die Problematik der Delegation entsprechender Tätigkeiten in der ambulanten Versorgung eine Diskussion gäbe, die zu Regelungen führte, die für den ambulanten Sektor maßgeschneidert und die auch für die regelhafte Anwendung, nicht nur für Modellvorhaben, tragfähig sind.

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In der Waagschale: Welche ärztlichen Tätigkeiten sind an Pflegekräfte delegierbar?
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