Suchttherapie 2013; 14 - P31
DOI: 10.1055/s-0033-1351637

Komorbidität von stoffgebundener Sucht und pathologischer Internetnutzung / Internetsexsucht bei Erwachsenen mit und ohne ADHS

E Loncarek 1, M Osterheider 2, S Landgraf 2, 3
  • 1Zentrum für Suchtmedizin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg; Gesundheitsmanagement medbo
  • 2Universität Regensburg, Bezirksklinikum, Abteilung für forensische Psychiatrie und Psychotherapie
  • 3Berlin School of Mind and Brain, Humboldt-Universität zu Berlin

Einleitung: Die Assoziation zwischen pathologischer Internetnutzung (PIN) und ADHS ist gut bekannt. In stationären Rehabilitationskliniken wird auch unter Substanzabhängigen eine zunehmende exzessive Medien-Nutzung beobachtet. Die Assoziation zwischen stoffgebundener Sucht und PIN beziehungsweise Internetsexsucht (ISS) bei Individuen mit und ohne ADHS wurde jedoch noch nicht untersucht.

Methode: 104 substanzabhängige Patienten und 85 Kontrollpersonen nahmen an der Studie teil. PIN wurde durch die Skala zum Onlinesuchtverhalten bei Erwachsenen (OSV-e), ISS mittels Online Sex Addiction-Questionnaire (OSA-Q) erfasst. Eine mögliche zusätzliche ADHS wurde durch den Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungs-Selbstbeurteilungsfragebogen (ADHS-SB) mit untersucht.

Diskussion/Ergebnisse: PIN trat bei Substanzabhängigen (8,2%) und Kontrollpersonen (5,1%) ähnlich häufig auf. ISS hingegen fand sich häufiger bei Substanzabhängigen (22,8%) als bei Kontrollpersonen (8,6%). Zwei Drittel aller Teilnehmer mit ISS erfüllten dabei nicht die Kriterien einer PIN. Geringe Schulbildung und Singlestatus waren gemeinsame Risikofaktoren für PIN und ISS. PIN trat zudem vermehrt bei unter 35-Jährigen auf. Als weitere Risikofaktoren für ISS fanden sich neben ADHS und Substanzabhängigkeit noch männliches Geschlecht, sexuelle Versagensängste und die Neigung, das Internet bei Niedergeschlagenheit zu nutzen.

Schlussfolgerung: In dieser Studie wurde Substanzabhängigkeit erstmals auf Komorbidität mit PIN und ISS unter Berücksichtigung von ADHS untersucht. ADHS und Substanzabhängigkeit waren mit ISS assoziiert, was auf einer höheren sexuellen Impulsivität bei ADHS, der Nutzung des Internets als Copingstrategie bei sexueller Beeinträchtigung und gemeinsamen neurobiologischen Risikofaktoren beruhen könnte. Die höhere PIN-Rate bei Jüngeren wäre durch die noch unvollständig ausgebildete frontale Impulskontrolle, die höhere ISS-Quote bei Männern durch die Bevorzugung visueller Stimuli erklärbar. Substanzabhängige Singles nutzen das Internet möglicherweise sowohl vermehrt zur Freizeitstrukturierung als auch zur Partnersuche. Weitere Langzeitstudien sind notwendig, um die gefundene hohe Prävalenz der ISS unter Substanzabhängigen zu verifizieren und die Richtung der Assoziation zwischen niedriger Bildung und PIN / ISS zu klären.