Suchttherapie 2013; 14 - P23
DOI: 10.1055/s-0033-1351629

Hirnstrukturelle Unterschiede der kortikalen Dichte bei Alkoholabhängigen mit und ohne komorbide affektive Pathologie – eine cMRT-Studie

U Havemann-Reinecke 1, D Wedekind 2, B Bandelow 2, D Stein 3, S Bloch 2, K Engel 2, A Uhlmann 3
  • 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie
  • 2Universitätsmedizin (UMG) D37075 Göttingen Abt. für Psychiatrie & Psychotherapie
  • 3University of Kapstadt, Dept of Psychiatry

Einleitung: Es wurde geprüft, ob es zwischen Alkoholabhängigen mit und ohne komorbider Angst-und affektiver Störung strukturelle Unterschiede in der Hirnatrophie, z.B. der Großhirnrinde und des Cerebellums, gibt.

Methode: 3-T MRI (Siemens MAGNETOM Trio) von alkoholabhängigen Patienten (m, w), die 2008 – 2012 in der Klinik für Psychiatrie der UMG Göttingen eine Alkoholentzugsbehandlung durchliefen, wurden retrospektiv nach Krankenakte ausgewertet und zu der Gruppe mit oder ohne komorbide Angst- oder depressive Störung (ICD-10) zugeordnet. Ausgewertet wurden T1-gewichtete, 3D-MPRAGE Sequenzen mit den Scan-Parametern TR = 2300 ms oder 2000 ms; TE = 2,98; flip angle = 9 °; FOV = 256 mm; Schichtdicke = 1,1 mm; 160 Schnitte. Kortikale Dichte und die Segmentation der neuroanatomischen Strukturen wurde mit FreeSurfer erhoben. Auswertung mittels IBM® SPSS® Statistics 20 und Gruppenvergleich mittels Mann-Whitney-U Test. Korrelationen zwischen kortikaler Atrophie, Dauer der Abhängigkeit, täglichem Alkoholkonsum vor Aufnahme, Anzahl von Entzugsbehandlungen und neuropsychologischen Defiziten wurden berechnet.

Diskussion/Ergebnisse: Alkoholabhängige Patienten ohne komorbide Angst- oder affektiver Störung zeigten im Vergleich zur komorbiden Gruppe einen signifikant höheren Grad kortikaler Atrophie: Eine geringere Dicke fand sich im frontokortikalen Bereich bilateral im caudalen medialen frontalen Kortex, in der Pars opercularis, im rechten oberen Frontalkortex, im rechten rostralen mesiofrontalen Kortex, auch in den prä- und parazentralen Cortices im Parietallappen bilateral supramarginal, im Präcuneus, unteren parietalen Kortex, im rechten oberen parietalen Kortex. Okzipital waren die lateralen und pericalcarinen Cortices beider Hemisphären verschmälert, der rechte cuneale u. linguale Kortex, der obere Temporallappen re, das linke posteriore Cinculum, die linke Insula. Es zeigte sich eine Ausdünnung im Cerebellum beidseits, der weißen Kleinhirnsubstanz links, im rechten Hippocampus. Es zeigten sich Korrelationen zu Variablen der Abhängigkeitsschwere.

Schlussfolgerung: Alkoholabhängige ohne komorbide affektive Erkrankung wiesen ein signifikant stärkere cerebrale Atrophie in kortikalen- und subkortikalen Strukturen auf. Ob Unterschiede in Alkoholkonsummustern bzw. Abhängigkeitsschwere ursächlich sein können und ob affektive Pathologie/antidepressive Therapie einen protektiven Effekt auf hirnstrukturelle Veränderungen bei Alkoholkranken haben, wird aktuell geprüft.