Balint Journal 2013; 14(03): 84-91
DOI: 10.1055/s-0033-1351242
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Balintarbeit und Ökonomie – eine Entgegnung

Balint Work and Economics – a Reply
A. Ertle
1   Zell am Harmersbach
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. August 2013 (online)

Preview

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersucht die gegenwärtige Stellung der Balintarbeit unter den Bedingungen einer Lebenswelt, die vom Zwang zur Beschleunigung und Zeitverknappung ebenso geprägt wird wie von einer umfassenden Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse unter strikt marktwirtschaftlichen Vorgaben. Sie nimmt zunächst Bezug auf die spezifische Arbeitsweise der Balintarbeit. Sie hat – nach anfänglichen Versuchen Balints mit einer modifizierten fokalen Konfliktbearbeitung – schon früh in ihrer Geschichte bewusst darauf verzichtet, zur psychotherapeutischen Behandlungsmethode ausgearbeitet zu werden. Stattdessen nimmt sie eine Metaebene ein, die ihr Unabhängigkeit verleiht, sowie Distanz und Nähe zur Arzt-Patient-Beziehung gleichermaßen ermöglicht. Balintarbeit ist wesentlich geprägt von einer spezifischen Reflexionsform der wiederholenden Erinnerung, die nicht nur Bekanntes neu auflistet und zusammenfügt, sondern über den Weg eines vertieften hermeneutischen Verstehens Zugänge eröffnen kann zum Unbewussten des Arztes[1] wie des Patienten. Ein weiterer Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Voraussetzungen für die Umsetzung in der Alltagspraxis des Arztes und mit dem möglichen Gewinn für Arzt und Patient. Abschließend geht es darum, wie Balintarbeit auf die wachsende Ökonomisierung der Medizin antworten und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit wahren kann.

Abstract

How can balint work survive in our time under impacts of growing acceleration und constant urge for time-restriction in medical treatment? And by which means can it reply to an almost complete transformation of our conditions of living according to economic terms? Initially, the author refers to the particular method and structure of balint work. Early in its development, balint work avoided for good reason to become a specific method of psychotherapeutic treatment. Claiming an independent meta-level instead, balint work is enabled to keep in touch with the doctor-patient-relation as well as to maintain its necessary distance. Balint work is characterized by a certain manner of reflection. Here memory will not only mean to go back for already well known facts, but also to open up to the unconscious in doctors and patients. Furthermore this paper attempts to consider, in which way balint work could be applied to daily practice and what sort of non economic profits are hence to be expected. And finally: how can balint work respond to the advance of economics in health-systems and yet keep its independence.

1 Aus stilistischen, nicht aus ideologischen Gründen wird hier und im gesamten Text der Arbeit diese grammatikalische Form des Genus gewählt.