Z Gastroenterol 2013; 51 - K18
DOI: 10.1055/s-0033-1351185

Dünndarmhernierung im Mesenterium als Ursache für rezidivierende Bauchschmerzen

C Umschlag 1
  • 1Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie; Klinikum Augsburg

Anamnese: Innerhalb kurzer Abstände stellte sich eine 59-jährige Patientin mit wiederkehrenden krampfartigen, und nur durch Opiatgabe zu durchbrechenden Schmerzattacken betont im linken Oberbauch vor. Die Patientin berichtete ebenso, dass sie häufig spät abends massive Übelkeit entwickelte gefolgt von eben diesen Schmerzen und schwallartigen Erbrechen von teils unverdautem Nahrungsbrei. Intermittierend kam es außerdem zu peranalen Blutabgängen. Ein Jahr zuvor war bei typischer klinischer Konstellation mit Koliken eine laparoskopische Cholezystektomie bei Cholezystolithiasis durchgeführt worden. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme wurde verneint.

Verlauf: Im Rahmen der Erstvorstellung Anfang April 2013 wurde neben der klinischen Untersuchung mit weichem, diffus druckschmerzhaften Abdomen die Diagnostik geführt. Neben einem Routinelabor wurde die Abdomensonografie ohne richtungsweisenden Befund durchgeführt. Die Diagnostik wurde aufgrund der erheblichen Schmerzsymptomatik (VAS 10 nach repetitiver Opiatanalgesie) ausgeweitet, ein myokardiales Geschehen ausgeschlossen. Die Abdomen-CT konnte eine Hohlorganperforation ausschließen, nebenbefundlich fanden sich ein Duodenaldivertikel, eine Sigmadivertikulose sowie unkomplizierte Nierenzysten bds. Etwa vier Stunden nach Akutvorstellung verließ die Patientin vollständig beschwerdefrei auf eigenen Wunsch die Klinik.

Zwei Tage später folgte die Wiederaufnahme mit obigem Beschwerdebild. Die Gastrografinverfolgung zeigte eine unauffällige KM-Passage. Die endoskopische Diagnostik mittels ÖGD, Koloskopie und Rektoskopie konnte die geschilderten Symptome nicht erklären. Im Angio-CT war eine regelrechte Perfusion der Viszeralgefäße gezeigt worden. Auch die Videokapselendoskopie ließ keine weiteren Rückschlüsse auf die Beschwerden zu, hier konnten jedoch einzelne Teleangiektasien nachgewiesen werden.

Fünf Tage später fand sich in der Computertomografie das Bild eines hohen Dünndarmileus mit Kalibersprung, so dass die operative Exploration indiziert wurde.

Therapie: Die explorative Laparoskopie zeigte nach Cholezystektomie diskrete, aber nicht für die Beschwerden ursächliche Adhäsionen, wenig klares Sekret im kleinen Becken. Ursächlich für die Beschwerden war die Hernierung eines ca. 40 cm langen Jejunumsegmentes etwa 65 cm aboral des Treitz'schen Bandes in eine kleine unmittelbar am Dünndarm gelegene Lücke im Mesenterium mit deutlicher prästenotischer Dilatation und poststenotischem Hungerdarm. Die dilatierten Dünndarmschlingen zwangen zur Konversion und offenen Reposition des teilweise lividen Dünndarms, welcher sich ohne sichtbare Defekte komplett erholte. Der Mesenterialschlitz wurde mittels fortlaufender Naht verschlossen.

Diskussion: Die „klassischen“ Hernien stellen mit Abstand den größten Anteil des Patientenguts im chirurgischen Alltag dar. Innere, abdominale Hernien jedoch zählen insgesamt zu den seltenen Ursachen einer intestinalen Obstruktion. In den wenigen publizierten Fallserien wird eine Inzidenz von ca. 2% angegeben, wobei diese Zahlen erheblich schwanken. Prädestiniert scheinen auch hier präformierte Lücken, z.B. am Recessus duodenalis oder Recessus ileocoecalis in der Peritonealhöhle. Nach Voroperationen kann ein nicht verschlossener Mesenterialschlitz oder eine „Neu-Duplikatur“, vielfach beschrieben z.B. nach Bildung eines Ileumconduit oder nach lap. Magenbypass, solch eine Prädilektionsstelle sein.

Im vorgestellten Fall war es zu einer intermittierenden Inkarzeration des Dünndarms in eine, nicht durch eine Voroperation entstandene Lücke am Mesojejunum mit rezidivierenden kolikartigen Bauchschmerzen und schwallartigem, voluminösen Erbrechen gekommen. Die rezidivierende, peranale Blutung ist vermutlich auch in diesem Zusammenhang zu sehen.

Zusammenfassend müssen Bauchbeschwerden, die sich im Rahmen der klinischen und bildgebenden Diagnostik nicht hinreichend klären lassen, immer auch an die seltene Ursache einer Obstruktion durch intraabdominelle Hernie denken lassen, die nicht zwingend auf Voroperationen zurückzuführen sind. Wie auch bei den „klassischen“ Hernien besteht hier die unmittelbare Gefahr einer Inkarzeration mit Ischämie und Nekrose von Darmanteilen, die in ein schweres septisches und für den Patienten lebensbedrohliches Krankheitsbild münden können. Daher ist hier die Indikation zur Exploration, egal ob laparoskopisch oder mittels Laparotomie, großzügig zu stellen.