Fortschr Neurol Psychiatr 2014; 82(2): 84-92
DOI: 10.1055/s-0033-1350571
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Friedrich Schiller und die Psychosomatik aus der Perspektive der rezenten Forschung

Friedrich Schiller and Psychosomatics from the Perspective of Recent Research
S. Häfner
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Publication Date:
11 February 2014 (online)

Zusammenfassung

Forschungsfrage: Es soll nachgewiesen werden, dass sich Friedrich Schiller (1759 – 1805) bereits frühzeitig für psychosomatische Zusammenhänge interessiert hat.

Material und Methode: Hierfür wurde die gedruckte Sekundärliteratur seit Schillers Tod zum Thema „Friedrich Schiller“ und „Psychosomatik“ ausgewertet.

Ergebnisse: Bereits während des Medizinstudiums an der Hohen Karlsschule in Stuttgart hat Schiller sich intensiv mit psychosomatischen Fragestellungen anhand der Erkrankung seines Kommilitonen Joseph Frédéric Grammont und bei seinen drei Probeabhandlungen auseinandergesetzt. Wenngleich er die praktisch-ärztliche Tätigkeit bald aufgab, sind in sein dichterisches Werk, vor allem in die 1781 entstandenen „Die Räuber“, aber auch in „Don Carlos, Infant von Spanien“ (1787), psychosomatische Inhalte und medizinische Konzepte eingeflossen. Gegenüber dem damals in Mode gekommenen Mesmerismus blieb er allerdings skeptisch. Auch in der Bewältigung seiner eigenen Krankengeschichte finden sich viele psychosomatische Aspekte. Selbst körperlich schwer erkrankt überwindet er den Schmerz und betont dichterisch die Freiheit vor der Angst vor dem Tod.

Abstract

Research Question: The aim of this study is to show that Friedrich Schiller (1759 – 1805) was very early in life inclined towards psychosomatic interactions.

Material and Methods: An analysis of the secondary literature since the death of Friedrich Schiller for the subjects “Friedrich Schiller” and “psychosomatics” was undertaken.

Results: Already during his medical studies at the “Hohe Karlsschule” in Stuttgart (Germany) Schiller studied very intensively psychosomatic issues on account of the disease of another student, Joseph Frédéric Grammont, and included the topic in his three theses. Not inclined to practical work as a physician, there are many psychosomatic thoughts and medical concepts in his writings, especially in the play “Die Räuber” (1781) and in “Don Carlos, Infant von Spanien” (1787). Towards the then upcoming topic mesmerism he remained very sceptic. In coping with his own illness there are many psychosomatic aspects, too. Despite his own severe somatic illness he could cope with pain and emphasised in his writings the importance of the freedom of anxiety before death.

 
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