Z Sex Forsch 2013; 26(3): 245-265
DOI: 10.1055/s-0033-1350481
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„[P]lumpe […] Versuche der weiblichen Wissenschaftlichkeit“?[1]

Sexualität, soziale Rolle und Intelligenz der Frau bei deutschsprachigen Autorinnen des frühen 20. Jahrhunderts
Anika Schröter
a   Archiv für Leipziger Psychiatriegeschichte, Universität Leipzig
,
Ortrun Riha
b   Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Universität Leipzig
,
Holger Steinberg
a   Archiv für Leipziger Psychiatriegeschichte, Universität Leipzig
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Publication History

Publication Date:
16 September 2013 (online)

Übersicht

Der Beitrag schildert exemplarisch die heterogenen Positionen, die verschiedene Autorinnen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu den Wechselwirkungen weiblicher Physiologie und gesellschaftlicher Frauenrolle vertraten. Dabei wird deutlich, dass sich die Schlussfolgerungen der Frauen kaum von denen ihrer männlichen Kollegen unterscheiden: Auch aus weiblicher Sicht scheint insbesondere die Erfüllung der Frau als Gattin und Mutter, ja bisweilen sogar ihre Beschränkung auf diese Rollen, biologisch vorgegeben zu sein. Deutliche Unterschiede liegen jedoch in der Forderung nach Entpathologisierung der weiblichen Sexual- und Reproduktionsfunktion und nach Anerkennung einer Gleichwertigkeit der Geschlechter trotz ihrer Differenz sowie – trotz aller methodischen Unzulänglichkeiten – im Bedürfnis nach einer empirischen Fundierung von Geschlechtertheorien, die auch grundsätzlich als Konstrukte hinterfragt werden. Bemerkenswert ist ein gewisser Wandel in den Argumentationen: Nach einer Phase der Offenheit in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts werden in den Krisenzeiten während und nach dem Ersten Weltkrieg sowie im Zuge der Weltwirtschaftskrise wieder biologistische und intentional restriktive Deutungsmuster aufgegriffen.

1 Nietzsche 1886: 183