NOTARZT 2013; 29(06): 243-248
DOI: 10.1055/s-0033-1349543
Originalia
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Notfälle an Bord von Verkehrsflugzeugen[1]

Medical Emergencies on Board
J. Graf
1   Leiter Standort Frankfurt des Medizinischen Dienstes der Deutschen Lufthansa AG, Frankfurt/Main, und Mitglied des Editorial Boards von Aviation, Space and Environmental Medicine
,
U. Stüben
2   Leiter des Medizinischen Dienstes der Deutschen Lufthansa AG, Frankfurt/Main
,
S. Pump
3   Abteilungsleiter Passenger Medical Care des Medizinischen Dienstes der Deutschen Lufthansa AG, Frankfurt/Main
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Publication Date:
11 December 2013 (online)

Zusammenfassung

Die demografische Entwicklung der Industriegesellschaften setzt sich auch bei den Flugreisenden fort: Die Passagiere werden zunehmend älter und unternehmen Langstreckenflüge auch mit erheblichen chronischen und auch akuten Erkrankungen. Überdies werden die Flugstrecken länger und die Passagierzahl an Bord nimmt zu. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit eines medizinischen Zwischenfalls während eines Flugereignisses. Aufgrund internationaler Regularien sind die medizinische Mindestausstattung an Bord sowie das Erste-Hilfe-Training der Besatzungen vorgeschrieben. Schwieriger ist oftmals die Einschätzung, ob eine Zwischenlandung auf einem nahegelegenen Flugplatz die medizinische Versorgung eines kritisch erkrankten Passagiers verbessern kann. Hier sind nicht nur flugbetriebliche und technische Aspekte zu beachten, sondern auch die medizinische Infrastruktur am Boden ist zu berücksichtigen. Notfälle an Bord eines Flugzeugs stellen auch für den erfahrenen Arzt aufgrund der ungewohnten Umgebung, der Besonderheiten der Kabinenatmosphäre, der häufig bestehenden Kultur- und Sprachbarriere sowie haftungsrechtlicher Bedenken eine besondere Herausforderung dar.

Abstract

The demographic trend of industrialized societies is also reflected in commercial airlines' passengers: passengers are older nowadays and long-haul flights are routine mode of transport despite considerable chronic and acute medical conditions. Moreover, duration of non-stop flight routes and the number of passengers on board increase. Thus, the probability of a medical incident during a particular flight event increases, too. Due to international regulations minimum standards for medical equipment on board, and first aid training of the crews are set. However, it is often difficult to assess whether a stopover at a nearby airport can improve the medical care of a critically ill passenger. Besides flight operations and technical aspects, the medical infrastructure on the ground has to be considered carefully. Regardless of the amount of experience of a physician medical emergencies on board an aircraft usually represent a particular challenge. This is mainly due to the unfamiliar surroundings, the characteristics of the cabin atmosphere, the often existing cultural and language barriers and legal liability concerns.

Kernaussagen
  • Die medizinische Ausstattung und das Erste-Hilfe-Training der Bordbesatzung eines Verkehrsflugzeugs sind von der Fluggesellschaft, den Regeln der Aufsicht führenden Luftfahrtbehörde und u. U. auch von der Flugstrecke abhängig.

  • An Bord eines im Flug befindlichen Flugzeugs gilt in Bezug auf Haftungs- und Rechtsfragen bei ärztlicher Nothilfe das Recht der Flagge („flag right“). Dies entspricht jeweils dem Ort der Registrierung des Flugzeugs.

  • Im statistischen Mittel kommt es alle 10 000 – 40 000 beförderte Passagiere zu einem medizinischen Zwischenfall an Bord eines Verkehrsflugzeugs. Zu den häufigsten Diagnosen zählen gastrointestinale und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie neurologische Zwischenfälle.

  • Die notärztliche Handlungsweise an Bord unterscheidet sich inhaltlich nicht von der üblichen Notfallversorgung. Allerdings sind die besonderen Umgebungsbedingungen (begrenzter Raum, Vibration, Geräuschpegel) sowie die eingeschränkte medizinische Ausstattung zu bedenken. Vor Beginn der Hilfeleistung sollte auf jeden Fall das Einverständnis des Patienten eingeholt werden.

1 Erstveröffentlichung des Beitrags in: AINS 2013; 48: 224 – 229