Geburtshilfe Frauenheilkd 2013; 73 - P96
DOI: 10.1055/s-0033-1347868

Morphogenetische Einheiten von Vagina und Zervix mit lebenslanger Konsequenz

O Reich 1, H Fritsch 2
  • 1Abt. für Gynäkologie der Univ.-Frauenklinik Graz
  • 2Division für klinisch funktionelle Anatomie der Universität Innsbruck

Hintergrund: Das etablierte Verständnis der Pathogenese von gynäkologischen Krebserkrankungen und ihren Vorstufen beruht auf einer am reifen Organismus ermittelten Anatomie von Organen. Die pränatale Differenzierung von Vorläufergeweben (Anlagen) kartiert hingegen Kompartimente von Geweben, die postpartal als morphogenetische Einheiten different von anatomischen Einheiten sein können. Methode: roßflächenschnitte von Vagina und Zervix des Archivs der Division für klinisch funktionelle Anatomie der Universität Innsbruck wurden zu differenten Zeiten der Embryonal- und Fetalentwicklung mittels Biomarker zur Frage der Abgrenzung von morphogenetischen Einheiten (Kompartimenten) untersucht. Ergebnisse: Die Epithelien von Vagina und Zervix sind 3 verschiedenen morphogenetischen Kompartimenten zuzuordnen:

Plattenepithel der untere Vagina, welches sich aus dem Urogenitalsinus ableitet,

Plattenepithel der oberen Vagina einschließlich der Fornices und der Ektozervix bis hin zur sog. Squamocolumnar Junction, welches aus dem vaginalen Müllerepithel entsteht und

Zylinderepithel der Endozervix mit Plastizität zur Transformation in Plattenepithel, welches aus dem uterinen Müllerepithel hervor geht.

Schlussfolgerung: Ein sich aus der Embryonal- und Fetalentwicklung ableitendes Verständnis der Anatomie (ontogenetische Anatomie) von Vagina und Zervix erklärt besser als bisher:

  • warum 90% der Vaginalkarzinome incl. der Vorstufen im Bereich der oberen Vagina lokalisiert sind,

  • warum 90% der Zervixkarzinome incl. der Vorstufen aus dem zu Plattenepithel transformierten Zylinderepithel der Zervix hervorgehen (innerhalb der Transformationszone) und

  • warum Karzinome der oberen Vagina und der Ektozervix (außerhalb der Transformationszone) incl. der Vorstufen etwa gleich häufig sind.