Der Klinikarzt 2013; 42(4): 159
DOI: 10.1055/s-0033-1347037
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Wandel eines Krankheitsbilds – Warum die Bedeutung chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen zunimmt

Tobias Welte
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Publication Date:
13 May 2013 (online)

Dieses Heft des klinikarzt ist der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (Englisch: chronic obstructive pulmonary disease, COPD) gewidmet. In 5 Artikeln wird die Krankheitslast beschrieben, neue Therapieansätze (pharmakologisch, interventionell und durch Bewegungs- und Trainingstherapie) vorgestellt und eine wesentliche Komplikation, die akute Exazerbation der COPD, die sowohl die Kurzzeit- wie die Langzeitprognose der Erkrankung beeinflusst, abgehandelt.

Im Amerikanischen werden unter COPD sowohl die chronisch obstruktive Bronchitis als auch das Asthma bronchiale subsumiert, während sich der Begriff im Europäischen in erster Linie auf die nikotininduzierten Atemwegsobstruktionen bezieht. Tatsächlich ist ein chronischer Nikotinabusus weiterhin der wesentliche Risikofaktor für die Entstehung einer COPD. Weil in den Industrieländern – als Ausdruck der zunehmenden Gleichberechtigung? – Frauen inzwischen häufiger rauchen als Männer, wahrscheinlich jedoch eine höhere Suszeptibilität für die Schädigung durch Zigarettenrauch aufweisen [1], wird die Zahl der Erkrankten noch auf Jahrzehnte ansteigen. Zudem zeigt sich, dass auch in den Ländern, in denen der Nikotinkonsum durch gesetzliche Regelungen sehr frühzeitig begrenzt wurde (z.B. in Californien in den USA oder in British Columbia in Kanada), trotzdem weiter steigende Krankheitszahlen zu beobachten sind. Das hängt einerseits mit der langen Latenzzeit zwischen Schadstoffexposition und Fortschreiten einer COPD zusammen, andererseits scheinen auch andere Umweltschadstoffe wie Feinstaubpartikel unabhängig vom Zigarettenrauch zur Entstehung von COPD beizutragen. Als Folge weltweit zunehmender Umweltbelastungen steigt auch die Zahl der Nieraucher mit COPD weiter an [2]. Die Weltgesundheitsorganisation rechnet damit, dass die COPD aufgrund ihres langen Krankheitsverlaufs bald weltweit zu den 3 teuersten Erkrankungen für die Gesundheitssysteme gehören wird. Dies gilt umso mehr, als inzwischen in vielen Arbeiten gezeigt werden konnte, dass COPD nicht nur Schäden an Bronchien und Lunge selbst verursacht, sondern viele andere Erkrankungen wie Arteriosklerose oder Diabetes beeinflussen und zum Teil gar auslösen kann [3].

Einer frühzeitigen Diagnose der COPD kommt daher in Zukunft eine wesentliche Bedeutung zu. Sie trägt dazu bei, Patienten über das Risiko des Rauchens aufzuklären und Raucherentwöhnungsmaßnahmen einzuleiten. Daneben können über Änderung der Lebensgewohnheiten, vor allem auch über strukturierte Bewegungs- und Trainingsprogramme wesentliche Komplikationen der COPD wie Muskelabbau und Osteoporose vermieden werden, der Effekt auf die Lebensqualität und Lebenserwartung ist überraschend groß. Zudem wurden die lange bekannten Möglichkeiten der medikamentösen Therapie durch neue effektivere und nebenwirkungsärmere Medikamente optimiert. Lang wirksame Sympathikomimetika und lang wirksame Anticholinergika sind in der Therapie etabliert, Kombinationspräparate beider Substanzen mit additiven Effekten werden in Kürze erwartet. Für spezielle Situationen, häufige infektbedingte Exazerbationen und Patienten mit ausgeprägter bronchitischer Komponente, stehen mit inhalativen Kortikosteroiden und selektiven Phosphodiesterasehemmern wichtige Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Die akute Exazerbation der COPD geht mit einer nennenswerten Sterblichkeit einher. Häufige Exazerbationen beschleunigen den Verlauf der COPD-Erkrankung. Häufigster Auslöser von Exazerbationen sind Virusinfektionen, aber auch Bakterien spielen – vor allem bei fortgeschrittener COPD-Erkrankung – eine Rolle. In einem Artikel dieses Heftes wird gezeigt, wie die Exazerbation zu behandeln ist und wann mit welchen Antibiotika eingegriffen werden sollte. Zur Vermeidung von Exazerbationen ist eine gute Basistherapie entscheidend, zu dieser gehören auch präventive Maßnahmen wie die jährliche Influenzaimpfung oder die Impfung gegen den wichtigsten bakteriellen Atemwegserreger, die Pneumokokken. Gerade wurde mit dem 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff eine Vakzine zugelassen, die in klinischen Studien eine bessere Immunogenität zeigen konnte [4].

Die Bedeutung der Erkrankung COPD steigt an, die therapeutischen Möglichkeiten werden jedoch gleichermaßen besser. Ich hoffe, dass diese Ausgabe des klinikarzt dazu beiträgt, das aktuelle Wissen zur COPD weiter zu verbreiten und damit hilft, Patienten mit dieser Erkrankung ein besseres Leben zu ermöglichen.