B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2013; 29(4): 147
DOI: 10.1055/s-0033-1345466
Editorial
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

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Hubertus Deimel
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Publication Date:
29 August 2013 (online)

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Burnout und chronische Erschöpfung sind in aller Munde. In den Medien wird sich in den letzten Jahren regelmäßig – manchmal recht reißerisch – dieses Themas angenommen. Beispielhaft kann der „Der Spiegel“ genannt werden, der in den letzten 3 Jahren mehrere Titelstorys und Schwerpunkthefte in der Reihe „Spiegel Wissen“ zur Thematik geliefert hat: „Ausgebrannt – Das überforderte Ich“, „Neustart – Wege aus dem Burnout“, „Das überforderte Ich – Stress, Burnout, Depression“, „Generation Stress – Wenn Schule krank macht“ usw. Aber auch bei anderen Printmedien und im Fernsehen ist das Thema gegenwärtig, spätestens dann, wenn ein „Promi“ sich outet.

Unabhängig von der Frage, ob Burnout nun eine spezielle psychiatrische Erkrankung ist oder nur eine „Modediagnose“, um sich den Veränderungen der Arbeitswelt zu entziehen, bleibt erst einmal festzustellen: Die psychischen Belastungen und Beanspruchungen bzw. der Druck sind deutlich gestiegen, was z. B. durch den Stressreport Deutschland sichtbar gemacht ist. Dieser gibt in regelmäßigen Abständen zu Fragen des Arbeitsschutzes sowie der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz Auskunft.

Aus persönlicher Erfahrung aus dem universitären Bereich und den Informationen der psychologischen Beratungsstellen der Universitäten spiegelt sich dieses weitverbreitete Phänomen auch bei Studierenden wider: ein allgemeines Empfinden, dass alles zu viel ist, wenig Freizeit vorhanden ist, die Konkurrenz riesig ist und die Belastung eigentlich nie weniger wird. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge mit ihrer starken Verschulung haben diese Tendenzen sicher mit verstärkt. Damit verbunden sind Überforderungsgefühle, Ängste sowie der Verlust an der Freude des Studierens. Es wird deutlich, dass derartige Zustände nicht allein mit einer vulnerablen Persönlichkeit zu erklären sind, sondern eben auch die gesellschaftlichen Umbrüche („Krisen-Zeitalter“, unsichere Perspektiven, Zukunftsängste) und die rapiden, stresshaften Veränderungen der Arbeitswelt in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass ein Teil dieser psychischen Belastungen selbst verursacht ist: Ständige Rufbereitschaft, ständiges Kommunizieren in sozialen Netzwerken, Nichteinhalten von Pausen, Perfektionszwänge und „Multitasking“ oder auch erhöhter Konsum der neuen Medien in der Freizeit tragen eben auch zur allgemeinen Erschöpfung bei.

Erschöpfungszustände können jedoch auch in anderen Zusammenhängen auftreten, hier speziell als Komorbidität bei bestimmten chronischen Erkrankungen oder als Folge einer intensiven, stark belastenden Krebstherapie. Mit diesem Schwerpunktheft versuchen wir einige unterschiedliche Facetten dieser Thematik darzustellen. In einem Übersichtsbeitrag zu Burnout wird der derzeitige Forschungsstand wiedergegeben sowie Hinweise zu störungsorientierten bewegungstherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten beschrieben. Wie solche Interventionen in der klinischen Praxis aussehen können, zeigt der Beitrag von Katharina und Janis Alexandridis aus der psychosomatischen Fachklinik Prien am Chiemsee. Ergänzend wird die Problematik der Erschöpfungszustände aus neurologischer und internistisch-immunologischer Sicht dargestellt.

Zudem wird ein Programm vorgestellt, das sich mit den präventiven Möglichkeiten von Burnout durch Bewegung und körperliche Aktivität im Rahmen der Gesundheitsförderung beschäftigt. Es wird deutlich, dass in allen Fällen eine behutsame, individualisierte bewegungstherapeutische Behandlung hilfreich wirken kann. Genauere Effekte müssen jedoch noch näher untersucht werden.

Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass auch Unternehmen hinsichtlich dieser Thematik stärker in die Pflicht genommen werden müssen, indem sie eine Arbeits- und Firmenkultur anbieten, die durch klare Regeln z. B. im Umgang mit Zeit, Aufgabenbereichen und psychischer Belastung verantwortungsvoll mit den Mitarbeitern umgeht, um die Arbeitszufriedenheit langfristig zu erhalten. Dies ist ein bedeutsamer Faktor hinsichtlich der Produktivität, dient aber auch dem gesamtgesellschaftlichen Interesse. Insofern kann durch das starke Auftreten von Burnout auch ein Anstoß erfolgen in Richtung einer ausgewogeneren Humanisierung der Arbeitswelt.

Ich wünsche Ihnen als Leserinnen und Lesern einen achtsamen und gelassenen Umgang mit den beruflichen Veränderungen, in der Hoffnung, damit Burnoutfrei zu bleiben.

In diesem Sinne,

Ihr

Hubertus Deimel