Hebamme 2013; 26(3): 148
DOI: 10.1055/s-0033-1345446
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Zwillinge – na und?

Franz Kainer
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Publication Date:
18 September 2013 (online)

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Die Zwillinge sind ein markantes Sternbild am Winterhimmel. Die Zwillinge Pollux und Kastor als die beiden hellsten Sterne haben dem Sternbild den Namen gegeben. Dabei ist es interessant zu wissen, dass Pollux und Kastor eigentlich keine Zwillinge, sondern Halbgeschwister sind.

Auch im richtigen Leben sind viele Zwillinge eigentlich „nur“ Geschwister, die zufällig am gleichen Tag Geburtstag haben. Mit Ausnahme der Frühgeburtlichkeit sind diese Schwangerschaften nur mit geringen Risiken verbunden. Bei „richtigen“ (eineiigen) Zwillingen kann es aber zum Auftreten von schweren Komplikationen kommen. Es ist deshalb eine Hauptaufgabe in der Schwangerenbetreuung, einerseits bei risikoarmen Zwillingsschwangerschaften keine unnötigen Ängste zu verbreiten, und andererseits bei Hochrisikosituationen adäquate Überwachungsmethoden zu veranlassen, um rechtzeitig eine Behandlung durchführen zu können.

Der entscheidende Faktor für die Einschätzung der Prognose ist die Chorionizität. Die Diagnose der Chorionizität kann zuverlässig in der Frühschwangerschaft mit der Ultraschalluntersuchung gestellt werden. Die typischen Befunde können aber auch ohne umfangreiche Ultraschallerfahrung auf den Bildern problemlos erkannt werden. Es macht also auch für die Hebammenarbeit Sinn, sich bei unklaren Fällen die Ultraschallbilder aus der Frühschwangerschaft anzusehen. Die medizinische Betreuung während der Schwangerschaft und auch der Geburtsmodus erfolgen in Abhängigkeit von der Chorionizität.

Die Chorionizität ist der entscheidende diagnostische Parameter für die Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften.

Auch der Geburtsmodus ist in erster Linie von der Chorionizität abhängig. Die steigende Sectiorate, die wir beobachten, erklärt sich auch durch die steigende Sectiofrequenz bei Zwillingen. Es ist wichtig, die schwangeren Frauen darauf hinzuweisen, dass bei einem Großteil der Zwillingsgeburten keine Sectio erforderlich ist. Wenn bestimmte Voraussetzungen – zu denen auch die entsprechende praktische Erfahrung in der Facharztausbildung gehört – erfüllt sind, kann eine natürliche vaginale Mehrlingsgeburt empfohlen werden. Dazu stellen wir die Erfahrungen aus zwei großen Geburtskliniken vor.

Bei Zwillingsschwangerschaften besteht aus verschiedenen Gründen ein höherer Beratungsbedarf. Neben der Bewältigung der Schwangerschaft und der Geburt warten auch nach der Geburt besondere Herausforderungen auf die Eltern. In dieser speziellen Lebenssituation ist eine kompetente individuelle Beratung extrem hilfreich. Dieses Heft liefert Ihnen wichtige Daten und Hintergrundwissen für die Beratung sowie praktische Tipps für die Wochenbettbetreuung.

Gleich zu Beginn dieser Ausgabe beschäftigen wir uns außerdem kritisch mit dem neu aufgekommenen Begriff der „Kaisergeburt“ und einer Frage, die sich viele Eltern immer ratloser stellen: Wie können wir unsere Kinder fördern, ohne sie zu überfordern? Chinesisch schon im Kindergarten kann sicher nicht die Lösung sein.

Sie sehen, es gibt viel Diskussionsstoff und viele Anregungen für unsere tägliche Arbeit. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und Diskutieren.

Ihr

Prof. Dr. med. Franz Kainer