Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - P239
DOI: 10.1055/s-0033-1341899

Einschätzung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Diabetes und psychischer Erkrankung

A Benecke 1, U Löw 1
  • 1Universität Mainz, Mainz, Germany

Fragestellung: Die Prävalenz psychischer Erkrankungen steigt seit Jahren stetig, die psychotherapeutische Versorgung ist dagegen durch Begrenzungen in der Bedarfsplanung und durch lange Wartezeiten für Patienten gekennzeichnet. Menschen mit Diabetes haben eine erhöhte Prävalenz psychischer Erkrankungen (Anderson et al., 2008). Viele dieser Menschen haben neben der psychischen Störung ein erhöhtes diabetesbedingtes Stresslevel, woraus häufig eine unzureichende Stoffwechseleinstellung resultiert (van Bastellar et al., 2010). Erste Ergebnisse zeigen, dass eine verhaltenstherapeutische psychodiabetologische Intervention neben der Verbesserung der psychischen Störung auch die Stoffwechseleinstellung signifikant verbessert. Wie kann die psychotherapeutische Versorgung dieser komorbiden Patienten beschrieben werden? Welche Konsequenzen müssten gezogen werden?

Aufgrund der bekannten psychosozialen Belastungen bei Diabetespatienten wurde 2000 der Fachpsychologe (DDG) ins Leben gerufen. Mit dieser Zusatzqualifikation für Psychologen sollte die stationäre Versorgung verbessert werden. Zwischenzeitlich werden aber Diabetespatienten zunehmend ambulant in Schwerpunktpraxen behandelt, stationäre Aufnahmen wegen des Diabetes sind deutlich seltener geworden. Damit werden nun auch weniger Menschen mit Diabetes psychologisch kompetent behandelt. 2005 wurde die Zusatzqualifikation „Psychodiabetologie“ für Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz eingeführt. Damit sollte die Möglichkeit gegeben werden, dass Menschen mit Diabetes und einer damit verknüpften psychischen Störung auch ambulant zu Lasten der GKV behandelt werden können. Inzwischen sind 50 Therapeuten als Psychodiabetologen anerkannt, die allerdings nicht alle ambulant arbeiten.

Geht man davon aus, dass es ca. 8 Millionen Diabetiker gibt und dass die Prävalenz psychischer Störungen bei ca. 20% liegt (und damit etwas höher als in der Allgemeinbevölkerung), dann kann man mit ca. 1,6 Millionen Menschen mit Diabetes und einer komorbiden psychischer Störung rechnen. Bei 50 Psychodiabetologen bedeutet dies, dass ca. 32 000 Patienten von einem Therapeuten versorgt werden müssten.

Schlussfolgerung: Die ambulante psychodiabetologische Versorgung ist unzureichend, selbst bei dieser groben Schätzung. Es gibt keine finanziellen Anreize für Psychotherapeuten, sich psychodiabetologisch weiterzubilden. Auch gibt es für Diabetologen keine finanzielle Mehrvergütung für eine Kooperation mit Psychodiabetologen, die dann z.B. stundenweise in der Schwerpunktpraxis mitarbeiten könnten. Um die Versorgung zu verbessern und Anreize für die Weiterbildung zu setzen müssten Psychodiabetologen strukturell in der Versorgung eingebettet sein (z.B. in DMPs, in spezialisierten Zentren), was dann auch finanziell honoriert werden müsste. Daneben gibt es jetzt schon die Möglichkeit von Sonderbedarfszulassungen und des Kostenerstattungsverfahrens. Letzteres könnte auch in Kooperation mit Schwerpunktpraxen erfolgen.