Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - P231
DOI: 10.1055/s-0033-1341891

Geringe Prävalenz von Depression und Belastungen durch Diabetes bei 626 Patienten in einer Hochschulpoliklinik

N Kuniß 1, G Kramer 1, N Müller 1, C Kloos 1, G Wolf 1, UA Müller 1
  • 1Universitätsklinikum Jena, Innere Medizin III, Jena, Germany

Einleitung: In den DDG-Leitlinien „Psychosoziales und Diabetes mellitus“ wird die Bedeutung von psychosozialen Faktoren für die Therapie des Diabetes mellitus aufgezeigt. Laut den Angaben einer Metaanalyse leidet etwa jeder 3. Diabetespatient (31%) unter depressiven Verstimmungen (Anderson et al., 2001). Des Weiteren stehen sie im Verdacht, u.a. Auslöser für Diabeteskomplikationen zu sein. Zur Erfassung diabetesbezogener Belastungen und Probleme stellt der PAID-Fragebogen („Problem Areas in Diabetes“) ein valides und zuverlässiges Messinstrument dar.

Methoden: In einer Hochschulambulanz für Endokrinologie/Stoffwechselerkrankungen wurden vom 01.11.2012 – 14.01.2013 insgesamt 626 Patienten mit Diabetes mellitus eingeschlossen (HbA1c 7,7%, Alter 63J, 45,3% Frauen, 23,9% Typ-1, Diabetesdauer 17,3J, BMI 31,5 kg/m2, 74,3% verheiratet/Lebensgemeinschaft). Ziel war es, mithilfe des PAID-Fragebogens (20 Fragen, 0 = kein Problem bis 4 = großes Problem, Grenzwert 39) zu analysieren, wie sich der „Diabetes mellitus“ auf die psychische Gesundheit auswirkt und ob Alter, Geschlecht, Diabetesform, Diabetesdauer, Behandlungsmethode (ohne/mit Insulin), HbA1c und/oder Familienstand dabei eine Rolle spielen.

Ergebnisse: Die Auswertung des PAID-Fragebogens zeigte, dass 91,1% aller Befragten einen Summenscore < 40 hatten, d.h. bei diesen Patienten liegen keine diabetesbezogenen Anzeichen für eine Depression vor. Die Frage „Ist es derzeit für Sie ein Problem, dass Sie sich Sorgen über die Zukunft und mögliche ernste Folgeerkrankungen machen?“ erreichte den höchsten Punktescore (1,65 ± 1,16). Es ergab sich eine negative Korrelation in Bezug auf das Alter der Patienten (r =-0,206, p < 0,01). Je älter die Patienten waren, desto niedriger der Punktescore. Außerdem zeigte sich, dass der HbA1c eine wichtige Rolle spielt. Je höher der HbA1c ist, desto höher ist auch der Punktescore (r = 0,188, p < 0,01). Bezüglich der Diabetesdauer ergab sich eine negative Korrelation (r =-0,016, p = 0,69). Des Weiteren zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit Typ-1 und Typ-2 (18,5 ± 16,5 vs. 16,7 ± 14,7 p = 0,21), ebenso zwischen Patienten ohne bzw. mit Insulin (16,9 ± 16,1 vs. 17,1 ± 14,9 p = 0,85). Dafür war ein signifikanter Unterschied zwischen Frauen und Männern zu erkennen (18,9 ± 16,6 vs. 15,6 ± 13,6 p = 0,008). Der Familienstand (allein lebend vs. Lebensgemeinschaft/verheiratet) hatte keine Einfluss (16,3 ± 14,6 vs. 17,5 ± 15,3 p = 0,41).

Schlussfolgerungen: Entgegen den Angaben der Metaanalyse (Anderson et al., 2001) besteht der Verdacht auf ein erhöhtes Risiko einer depressiven Verstimmung nur bei 8,9% der Befragten (Wert > 39). Allerdings kann ein hoher Punktescore auch aus den Belastungen und alltäglichen Anforderungen des Diabetes resultieren. Das Alter, das Geschlecht und der HbA1c nehmen Einfluss auf die diabetesbezogene, psychische Belastung. Die Diabetesform, die Behandlungsmethode (ohne/mit Insulin), die Diabetesdauer und der Familienstand scheinen keine Rolle zu spielen.