Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - P196
DOI: 10.1055/s-0033-1341856

Diabetesmanifestation in den ersten Lebensmonaten stellt eine diagnostische Herausforderung dar – ein seltener Fall einer Thiamin-abhängigen megaloblastären Anämie

N Datz 1, C Tsioli 1, K Schnell 1, W von Schütz 1, T Danne 1, O Kordonouri 1
  • 1Krankenhaus für Kinder- und Jugendmedizin auf der Bult, Hannover, Germany

Hintergrund: Ein Diabetes, der innerhalb der ersten 6 Lebensmonate diagnostiziert wird, heißt per definitionem neonataler Diabetes und ist oft auf eine monogenetische Diabetesform zurückzuführen.

Fallvorstellung: Wir berichten über einen 4-jährigen Jungen, bei dem im Alter von 6 Wochen ein neonataler Diabetes diagnostiziert wurde. Die Therapie erfolgte seit der Manifestation mittels Insulinpumpe, der Insulinbedarf betrug zum Zeitpunkt der Vorstellung 0,6 IE/kgKG/Tag, das HbA1c 6,4%. Außerdem leidet der Junge an einer Innenohrschwerhörigkeit, die mit Cochleaimplantaten bds. versorgt ist. Ursächlich wird eine konnatale CMV-Infektion angenommen, die im Alter von 6 Wochen aufgrund einer Panzytopenie und positiver CMV-Antikörper diagnostiziert wurde. Im Alter von 2,5 Jahren wurde außerdem eine Makuladystrophie festgestellt. Es besteht eine leichte muskuläre Hypotonie mit grobmotorischen Unsicherheiten, die Sprachentwicklung ist bei Zweisprachigkeit leicht verzögert, kognitiv bestehen keine Defizite. Der Junge ist iranischer Abstammung, die Eltern konsanguin.

Methoden: Aufgrund des neonatalen Diabetes war bereits bei der Manifestation eine ausführliche Diagnostik durchgeführt worden: Karyotyp 46 XY; Ausschluss einer Mutation im Kir 6.2 (KCNJ 11), SUR 1 (ABCC), im Insulingen (INS) und UPD 6 (Uniparentale Disomie des Chromosom 6), sowie der Ausschluss eines Wolfram- Syndroms (keine Mutation im WFS1 und OPA1-Gen) sind erfolgt. Im Rahmen einer Routineuntersuchung fiel im Alter von 4 Jahren eine megaloblastäre Anämie auf. Nach Ausschluss eines Vitamin B12-Mangels wurde aufgrund der Trias aus neonatalem Diabetes, Innenohrschwerhörigkeit und megaloblastärer Anämie eine Thiamin responsive megaloblastäre Anämie (TRMA) als Ursache vermutet.

Ergebnisse: Die molekulargenetische Untersuchung zeigte eine homozygote Mutation im SCL19 A2/TRMA-Gen: c.242dupA;p(Tyr81fs*) und somit einen Defekt des energieabhängigen Thiamintransporters. Die TRMA ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die durch den Defekt des Thiamintransporters zu einem intrazellulären Thiaminmangel führt. Dieser führt zu einer vorzeitigen Zellapoptose die den Verlust der inneren Haarzellen und eine Beeinträchtigung der ß-Zellfunktion und der Hämatopoese zur Folge hat. Wir begannen eine Therapie mit Thiamin 200 mg/Tag, die nach 12 Wochen zur Normalisierung des Blutbildes führte.

Schlussfolgerung: Das Auftreten eines Diabetes in den ersten Lebensmonaten sollte dazu sensibilisieren auf weitere Symptome zu achten und ggf. weitere Diagnostik durchzuführen. Das Ausmaß der Erkrankung beim vorgestellten Patienten hätte möglicherweise durch eine frühere Behandlung reduziert werden können. Bei der Kombination eines neonatalen Diabetes mit Anämie und Innenohrschwerhörigkeit sollte dringend an die Möglichkeit einer TRMA gedacht werden.