Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - FV16
DOI: 10.1055/s-0033-1341676

Zöliakie als Risikofaktor für mikrovaskuläre Folgeerkrankungen bei Typ-1-Diabetes: Longitudinales Follow-up von 54488 Patienten aus Deutschland/Österreich im Rahmen der DPV-Initiative

J Wolf 1, T Rohrer 2, S Liptay 3, K Zimmer 4, E Fröhlich-Reiterer 5, W Marg 6, M Stern 7, T Kapellen 8, B Hauffa 9, J Wölfle 10, N Scheuing 11, R Holl 11
  • 1St. Vincenz-Krankenhaus, Paderborn, Germany
  • 2Universitätsklinikum Homburg, Homburg, Germany
  • 3Technische Universität München Klinikum Schwabing, München, Germany
  • 4Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen, Germany
  • 5Medizinische Universität Graz, Graz, Austria
  • 6Klinikum Bremen-Mitte, Bremen, Germany
  • 7Universität Tübingen, Tübingen, Germany
  • 8Universität Leipzig, Leipzig, Germany
  • 9Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • 10Universitätsklinik Bonn, Bonn, Germany
  • 11Universität Ulm, Ulm, Germany

Fragestellung: Eine Zöliakie ist bei Typ-1-Diabetes häufig. Es wurde der Frage nachgegangen, ob das Vorliegen einer Zöliakie das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen erhöht. Für die Retinopathie wurde dies vor kurzem aus Schweden berichtet (Ludvigsson et al.).

Methodik: In die Untersuchung gingen 54488 Patienten mit Typ-1-Diabetes und Manifestation vor dem 20. LJ aus 357 Zentren im Rahmen der DPV Initiative aus Deutschland und Österreich ein. Anonymisierte Verlaufsdaten wurden mit SQL aggregiert und mittels SAS 9.3 statistisch ausgewertet (Kaplan-Meier-Analyse, Cox Proportional Hazard Regression).

Ergebnisse: Bei 1,3% (661 Patienten) lag eine durch Biopsie gesicherte Zöliakie vor, bei 8,3% (4506 Patienten) bestand der Verdacht auf eine Zöliakie (Klinik oder positiver Antikörperbefund), bei 90,5% gab es keinerlei Hinweis auf eine Zöliakie. Patienten mit gesicherter oder fraglicher Zöliakie wurden zusammengefasst und der Gruppe ohne Zöliakie gegenübergestellt. Bei 40283 Patienten lag ein Augenbefund vor. Ein Anteil von 25% Retinopathie wird bei T1D plus Zöliakie mit 26,6 Jahren erreicht, ohne Zöliakie erst mit 33,7 Jahren (p < 0,0001, log-rank Test). Im Alter von 25 Jahren sind 89% der T1-DM-Patienten ohne Zöliakie retinopathiefrei, aber nur 76,1% der Patienten mit fraglicher/sicherer Zöliakie. Im Cox-Regressionsmodell erhöht die Zöliakie als unabhängiger Risikofaktor das Retinopathierisiko um 22% (95% CI 4 – 44%), weitere Risikofaktoren sind Rauchen, ein HbA1c > 7,5%, sowie eine Manifestation im Pubertätsalter. Bei 41589 Patienten lagen Daten für Urinalbumin vor. Hinsichtlich der Entwicklung einer Nephropathie (Micro- und Macroalbuminurie) wird eine Nephropathierate von 25% ohne Zöliakie mit 20,7 Jahren, mit Zöliakie dagegen schon mit 17,3 Jahren erreicht (p < 0,0001). Im Cox Proportional Hazard Modell ist das Nephropathierisiko bei Zöliakie um 32% erhöht (unabhängiger Risikofaktor, CI: 23 – 42%), weitere signifikante Einflussfaktoren sind HbA1c > 7,5%, und Hypertonie. Dyslipidämie und Geschlecht haben bei beiden mikrovaskulären Komplikationen keinen unabhängigen signifikanten Einfluss.

Schlussfolgerungen: Das Vorliegen einer Zöliakie bedeutet ein erhöhtes Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen bei Typ-1-DM. Ein Screening auf Zöliakie ist deshalb bei Typ-1-Diabetes sinnvoll, wie in der DDG-Leitlinie empfohlen. Ob sich durch eine glutenfreie Diät das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen senken lässt, muss in zukünftigen Studien untersucht werden.