Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34 - P34
DOI: 10.1055/s-0033-1338236

Synergie-Effekte als Grundprinzip der Wirkung von Phytopharmaka am Beispiel der Weidenrinde (Salix spec.)

G Ulrich-Merzenich 1, F Hartbrod 1, A Koptina 1, 2
  • 1Universitätsklinikum Bonn, Medizinische Klinik III, Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn, Deutschland
  • 2Mari-El State University, Department of Forestry, Yoshkar-Ola, Russia

In experimentellen und klinischen Studien mit Phytotherapeutika (PT) werden häufig Synergie-Effekte im Sinne tatsächlicher überadditiver Effekte beobachtet. Als Vielstoffgemische waren PTs einer vollständigen Untersuchung ihrer Inhaltsstoffe sowie ihrer Wirkungsweise sehr lange unzugänglich. Deshalb wurde ihr therapeutischer Einsatz eingeschränkt und nur noch die Isolierung und die Verwendung einzelner Inhaltsstoffe gefördert. Diese „Weiterentwicklung“ traditioneller PTs geht jedoch häufig mit dem Verlust von Kombinationswirkungen einher. Die Einführung der „Omic“-Technologien eröffnet inzwischen deutlich verbesserte Möglichkeiten zur gleichzeitigen Erfassung von Pflanzeninhaltsstoffen sowie ihrer Wirkungsweisen einschließlich der Mechanismen, die Synergieeffekten zugrunde liegen.

Ein klassisches Beispiel für Synergieeffekte ist das Zusammenwirken von Salicylaten und Polyphenolen der Weidenrinde bei der Entzündungshemmung, das zu einem geringeren Verbrauch von Salicylaten führt. In Zellkulturmodellen mit Fibroblasten und Chondrozyten konnten wir zeigen, dass sowohl Salicylate als auch Polyphenole des Weidenrindenextraktes STW33 – 1 entzündungsfördernde und -hemmende Zytokine modulieren und Letztere zur Entzündungshemmung des Gesamtextraktes beitragen. Die durch STW33 – 1 induzierten Genexpressionsprofile waren interessanterweise dem Polyphenol Quercetin ähnlicher als dem der Acetylsalicylsäure [1, 2]. In Tierversuchen mit Sprague-Dawley-Ratten, die mit STW33 – 1, seinen verschiedenen Fraktionen oder dem trizyklischen Antidepressivum Imipramin (IM) behandelt wurden, evaluierten wir die induzierten Genexpressionsprofile (Agilent Whole Genome Array) im Blut.

STW33 – 1 modulierte im Vergleich zu IM eine vergleichbare Anzahl von Genen. Dies indiziert, dass die Anzahl der Inhaltsstoffe eines Medikamentes nicht unbedingt die Anzahl der genetischen Targets erhöht. Bei Modellkalkulationen zu potenziellen Nebenwirkungen (NW) beider Behandlungen auf der Basis der Genexpressionsprofile erreichte STW33 – 1 einmal den theoretischen Schwellenwert für eine NW, während IM diesen13 x überschritt. Die errechneten NW korrespondierten mit den bekannten schwerwiegenden NW von IM. IM und STW33 – 1 zeigten im Funktionstest (Porsolt-Swimming-Test) vergleichbare „antidepressive Wirkung“. Diese Ergebnisse stellen das Prinzip infrage, dass Substanzen ohne NW auch keine Wirkung besitzen [3]. Die präklinische und klinische Untersuchung von Multitarget-Therapien sollte die moderne Pharmakotherapie bereichern und das grundlegende Verständnis von Synergieeffekten erweitern.

Literatur:

[1] Ulrich-Merzenich G et al. Planta Medica 2008; 74: 916 [SL41]

[2] Ulrich-Merzenich G et al. Phytomedicine 2009; 16: 495 – 508

[3] Ulrich-Merzenich G et al. Phytomedicine 2012; 19: 322 – 329