Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34 - V16
DOI: 10.1055/s-0033-1338191

Ginkgo-biloba-Extrakte und Arzneimittelinteraktionen: Was sagen die Fakten?

M Unger 1
  • 1Universität Würzburg, Pharmazeutische Chemie, Am Hubland, 97074 Würzburg

Monografiekonformer Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (GBE) ist in Deutschland und vielen anderen Ländern zur symptomatischen Behandlung demenzieller Syndrome sowie von Tinnitus, Schwindel und peripherer arterieller Verschlusskrankheit zugelassen. Da GBE v.a. von älteren Menschen eingenommen wird, die häufig mehrere weitere Arzneimittel benötigen, z.B. gegen Hypertonie, Diabetes, Herzerkrankungen, Hyperlipidämie, ist die Evaluation des Interaktionspotenzials von Bedeutung. Deshalb wurden die publizierten präklinischen und klinischen Untersuchungen zum Thema gesichtet und ihre Ergebnisse in einer Übersicht zusammengefasst. In-vitro-Untersuchungen und Studien an Tieren mit hohen Konzentrationen bzw. Dosen von GBE unterschiedlicher Qualität und Quantifizierung auf ggf. benannte Extraktkomponenten ergaben Hinweise auf eine Hemmung und Induktion metabolischer Enzyme und Transporter.

Solche Befunde konnten jedoch am Menschen bei empfohlenen Dosierungen nicht reproduziert werden. Bei der maximal empfohlenen Dosierung von 240 mg pro Tag konnten klinisch relevante pharmakokinetische Interaktionen für den quantifizierten Extrakt EGb 761® nicht nachgewiesen werden. Höhere Dosen von GBE führten zu einer schwachen Induktion der CYP2C19-vermittelten 5-Hydroxylierung von Omeprazol bzw. einer schwachen Hemmung der CYP3A4-vermittelten 1'-Hydroxylierung von Midazolam. Die kontinuierliche Einnahme eines unzureichend charakterisierten chinesischen Extraktes in einer überhöhten Dosierung von 360 mg pro Tag führte zu einer geringfügigen Erhöhung der Bioverfügbarkeit von Talinolol. Da dieser Stoff jedoch ein Substrat mehrerer Transportproteine für organische Anionen ist, kann der Effekt keinem bestimmten Transporter, wie z.B. P-Glykoprotein, zugeschrieben werden.

Die Einnahme von EGb 761® in der empfohlenen Dosierung bis zu 240 mg pro Tag zusammen mit synthetischen Medikamenten kann bezüglich pharmakokinetischer Interaktionen als sicher betrachtet werden. Ein bedeutsames Interaktionspotenzial kann allerdings bei Extrakten unbekannter oder niedriger Qualität und unzureichender Quantifizierung, wie sie in nicht als Arzneimittel zulassungspflichtigen Produkten enthalten sein können, nicht ausgeschlossen werden.