Die Inzidenz der Tuberkulose in Deutschland ist seit Jahrzehnten rückläufig, doch
hat sich dieser Trend in den letzten Jahren deutlich verlangsamt. Die Tuberkulosezahlen
in München liegen seit 1986 über dem Landes- und Bundesdurchschnitt und stagnieren
seit 2010 bei 10 auf 100.000 Einwohner. Ursache für die höheren Inzidenzen in Großstädten
ist die Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Anteil von Migranten aus Ländern mit
hoher Tuberkuloseprävalenz und von sozial desintegrierten Menschen.
München ist als attraktive Großstadt in einer starken Wachstumsphase. Zuwanderer kommen
zunehmend aus Polen, Rumänien und Bulgarien. In Osteuropa ist die Tuberkulose häufiger
als in Deutschland. In München hat der Anteil der Tuberkulosepatienten, die im Ausland
geboren sind, seit 2001 deutlich zugenommen. Er stieg in 10 Jahren von 49 auf 80 Prozent
im Jahr 2011. Bei Asylbewerbern oder Zuwanderern sind zur Sicherstellung des Behandlungserfolges
oft intensive und kultursensible Therapiebegleitung sowie Hilfen beim Umgang mit anderen
Behörden erforderlich. Der Anteil von Tuberkulosepatienten mit sozialen Problemen
stieg seit 2006 von 37 auf 51 Prozent im Jahr 2011. Bei zusätzlichen psychischen Grunderkrankungen
oder sozioökonomischen Problemlagen wird der soziale und medizinische Betreuungsaufwand
zur Sicherstellung des Therapieerfolges immer komplexer. Eine überwachte Behandlung
am Gesundheitsamt wurde in 2011 bei 8 Patienten durchgeführt.
Die Zunahme medikamentenresistenter Tuberkulose in Osteuropa ist alarmierend. Fünfzehn
der weltweit 27 Länder mit der höchsten Krankheitslast an multiresistenter (MDR) Tuberkulose
entfallen auf Osteuropa. Patienten mit MDR Tuberkulose sind in München noch selten,
die Zahl schwankt zwischen ein und vier Fällen pro Jahr. Allerdings dauert die Behandlung
mindestens 20 Monate, zeigt häufig unerwünschte Arzneimittelwirkungen, ist wesentlich
kostspieliger und weniger erfolgreich als die Standardtherapie. Jeder Tuberkulosepatient
hat das Recht auf verlässliche Diagnostik und adäquate Behandlung. Es ist eine Herausforderung
für den öffentlichen Gesundheitsdienst, den Therapieerfolg auch im europaweiten Kontext
sicherzustellen.