Gesundheitswesen 2013; 75 - V20
DOI: 10.1055/s-0033-1337471

Die soziale Dimension der Tuberkulose in der Stadt München

C Dreweck 1, K Güllich 2, E Kerner 2, G Halder 2
  • 1Referat für Gesundheit und Umwelt, Abteilung Gesundheitsschutz, München
  • 2Referat für Gesundheit und Umwelt, Abteilung Gesundheitsschutz SG-TB, München

Die Inzidenz der Tuberkulose in Deutschland ist seit Jahrzehnten rückläufig, doch hat sich dieser Trend in den letzten Jahren deutlich verlangsamt. Die Tuberkulosezahlen in München liegen seit 1986 über dem Landes- und Bundesdurchschnitt und stagnieren seit 2010 bei 10 auf 100.000 Einwohner. Ursache für die höheren Inzidenzen in Großstädten ist die Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Anteil von Migranten aus Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz und von sozial desintegrierten Menschen.

München ist als attraktive Großstadt in einer starken Wachstumsphase. Zuwanderer kommen zunehmend aus Polen, Rumänien und Bulgarien. In Osteuropa ist die Tuberkulose häufiger als in Deutschland. In München hat der Anteil der Tuberkulosepatienten, die im Ausland geboren sind, seit 2001 deutlich zugenommen. Er stieg in 10 Jahren von 49 auf 80 Prozent im Jahr 2011. Bei Asylbewerbern oder Zuwanderern sind zur Sicherstellung des Behandlungserfolges oft intensive und kultursensible Therapiebegleitung sowie Hilfen beim Umgang mit anderen Behörden erforderlich. Der Anteil von Tuberkulosepatienten mit sozialen Problemen stieg seit 2006 von 37 auf 51 Prozent im Jahr 2011. Bei zusätzlichen psychischen Grunderkrankungen oder sozioökonomischen Problemlagen wird der soziale und medizinische Betreuungsaufwand zur Sicherstellung des Therapieerfolges immer komplexer. Eine überwachte Behandlung am Gesundheitsamt wurde in 2011 bei 8 Patienten durchgeführt.

Die Zunahme medikamentenresistenter Tuberkulose in Osteuropa ist alarmierend. Fünfzehn der weltweit 27 Länder mit der höchsten Krankheitslast an multiresistenter (MDR) Tuberkulose entfallen auf Osteuropa. Patienten mit MDR Tuberkulose sind in München noch selten, die Zahl schwankt zwischen ein und vier Fällen pro Jahr. Allerdings dauert die Behandlung mindestens 20 Monate, zeigt häufig unerwünschte Arzneimittelwirkungen, ist wesentlich kostspieliger und weniger erfolgreich als die Standardtherapie. Jeder Tuberkulosepatient hat das Recht auf verlässliche Diagnostik und adäquate Behandlung. Es ist eine Herausforderung für den öffentlichen Gesundheitsdienst, den Therapieerfolg auch im europaweiten Kontext sicherzustellen.