Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P176
DOI: 10.1055/s-0033-1337317

Benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe bei einer Familie mit neuer Missense-Mutation im KCNQ3-Gen

S Syrbe 1, A Bertsche 1, MK Bernhard 1, I Steiner 2, S Biskup 2, A Merkenschlager 1
  • 1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universität Leipzig, Neuropädiatrie, Leipzig, Deutschland
  • 2CeGaT GmbH, Tübingen, Deutschland

Die Ursachen neonataler Anfälle sind vielfältig. Meist sind sie Folge einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung, gefolgt von symptomatischen Anfällen bei angeborenen Stoffwechselstörungen und Infektionen. Wir berichten über ein eutrophes männliches Neugeborenes (IP), bei dem seit dem 6. Lebenstag wiederholt fokale klonische und im weiteren Verlauf sekundär generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle auftraten. Eine ausführliche Infektionsdiagnostik sowie Untersuchungen auf metabolische und zerebrovaskuläre Ursachen erbrachten unauffällige Befunde. Im EEG wurden wiederholt multifokale Anfallszeichen sowie iktale Muster aufgezeichnet. Bei fehlender Besserung unter Therapieversuchen mit Pyridoxin, Pyridoxalphosphat und Folinsäure wurde im Verlauf eine Behandlung mit Levetiracetam (LEV) begonnen. Unter dieser Therapie zeigten sich ab dem 20. LT keine weiteren Anfälle. Die genaue Familienanamnese ergab selbstlimitierte Neugeborenenkrämpfe mit Beginn zwischen dem 2.-4. LT bei mindestens drei weiteren Verwandten der Kindesmutter. Bei der Kindesmutter selbst waren keine Anfälle aufgetreten. Die im Verlauf durchgeführte Analyse der Gene KCNQ2 und KCNQ3 (codierend für die spannungsabhängigen Kaliumkanäle Kv7.2 und Kv7.3) erbrachten jeweils eine unklare Veränderung. Die Variante im KCNQ2 Gen wurde dabei am ehesten als benigner Polymorphismus eingestuft. Die ebenfalls unbekannte Missensemutation im KCNQ3 Gen führt zu einem Aminosäureaustausch (p.V279F) in einem hochkonservierten Transmembransegment von Kv7.3, weshalb wir diese, ebenfalls bei der nicht betroffenen Kindesmutter nachweisbare Mutation, für ursächlich erachten. Neugeborenenkrämpfe stellen pathophysiologisch eine eigene Entität dar, weshalb die Wirkung klassischer Antikonvulsiva kontrovers diskutiert wird. Die Therapie mit LEV führte in unserem Fall zu einer raschen Anfallskontrolle und Normalisierung des EEG. LEV erscheint zur Therapie benigner familiärer Neugeborenenkrämpfen geeignet. Die Therapie konnte komplikationslos im 7. Lebensmonat beendet werden. Zusammenfassend stellen wir eine neue Mutation im KCNQ3 Gen als Ursache familiärer Neugeborenenkrämpfe mit unterschiedlicher Penetranz vor und beschreiben den Phänotyp sowie die Bedeutung für Diagnostik und Therapie.