Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P175
DOI: 10.1055/s-0033-1337316

Evaluation eines Trainingsprogramms in der Virtuellen Realität für visuell-räumliche Fähigkeiten bei Patienten mit symptomatisch fokaler Epilepsie

P Grewe 1, 2, 3, O Risius 2, D Lahr 3, H Ohmann 2, 4, E Dyck 2, 5, CG Bien 3, M Botsch 2, 5, M Piefke 2, 4
  • 1Universität Bielefeld, Physiologische Psychologie, Bielefeld, Deutschland
  • 2CITEC Universität Bielefeld, Projekt CitMED, Bielefeld, Deutschland
  • 3Epilepsiezentrum Bethel, Krankenhaus Mara, Bielefeld, Deutschland
  • 4Universität Witten-Herdecke, Neurobiologie und Genetik des Verhaltens, Witten, Deutschland
  • 5Universität Bielefeld, Computergrafik und Geometrieverarbeitung, Bielefeld, Deutschland

Aufgrund aktueller Entwicklungen in der klinischen Neuropsychologie hat der Einsatz ökologisch valider Verfahren, die alltagsrelevante kognitive Leistungsniveau von hirngeschädigten Patienten einzuschätzen und zu trainieren versuchen, eine erhöhte Relevanz gewonnen. Für diesen Zweck der Diagnostik und Therapie alltagsrelevanter kognitiver Leistungen haben wir ein 14-tägiges Programm entwickelt, in dem mithilfe der virtuellen Realität (VR) alltagsrelevante kognitive Leistungen im Rahmen einer Einkaufsaufgabe in einem 360 °-Rundumsicht VR-Supermarkt-Szenario erfasst und trainiert werden sollen.

Wir haben das VR-Programm bei 15 Patienten (9♂, 6♀, M Alter = 32,2) mit symptomatisch fokaler Epilepsie eingesetzt. Zur Überprüfung der Wirksamkeit des Programms haben wir eine Kontrollgruppe (KG) von 13 Epilepsiepatienten (3♂, 10♀, M Alter = 32,5) mit einer neuropsychologischen Standardtherapie trainiert. Beide Gruppen erhielten sowohl vor (T1), als auch nach der Trainingsintervention (T2) eine ausführliche neuropsychologische Untersuchung.

Deutliche Verbesserungen des visuellen Gedächtnisses ergaben sich zum Zeitpunkt T2 für beide Gruppen. In der VR-Gruppe zeigte sich eine signifikante Verbesserung in Testverfahren, die visuell- räumliche, räumlich-konstruktive und visuell-mnestische Fähigkeiten erfordern. Insbesondere konnte sich die VR-Gruppe, nicht aber die KG in einem Testverfahren zur Links-Rechts-Unterscheidung unter komplexen mentalen Rotationsbedingungen (modifizierte Version des Bergen-Left-Right-Discrimination Test; Ofte, 2002) signifikant verbessern. Ebenso zeigte nur die VR-Gruppe eine Verbesserung der Visuo-Konstruktion beim Abzeichnen komplexer geometrischer Figuren. Insgesamt wurde das VR-Training von den Patienten als motivierender und sinnvoller für das Trainieren alltäglicher Funktionen bewertet als das neuropsychologische Standardtraining.

Die Ergebnisse belegen ein erfolgreiches Training visuell- räumlicher Fähigkeiten mithilfe des VR Programms, die eine Verbesserung von Navigation und Orientierung auch außerhalb der Testsituation ermöglichen können. Dabei unterstreichen die Verbesserung der Patienten in neuropsychologischen Tests einerseits, und die hohe Akzeptanz des VR-Trainings andererseits die ökologische Validität unseres Programms. Es erlaubt eine patientengerechte und ökonomische Diagnostik und Therapie alltagsorientierter neuropsychologischer Leistungen. Virtuelle Alltagsszenarien könnten nicht nur für Epilepsiepatienten, sondern auch für weitere neurologische und psychiatrische Patientengruppen ein wirksames Instrument für die erfolgreiche Rehabilitation insbesondere visuell-räumlicher neuropsychologischer Leistungen darstellen.

Literatur:

Ofte, S.H. (2002). Right-left discrimination: effects of handedness and educational background. Scandinavian Journal of Psychology, 43, 213 – 219.