Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P149
DOI: 10.1055/s-0033-1337290

Studie zur Evaluation der diagnostischen Wertigkeit der Nervensonografie in der Diagnostik peripherer Polyneuropathien

M Dittrich 1, K Loewenbrück 1, H Reichmann 1, A Storch 1
  • 1Universitätsklinikum Dresden, Neurologie, Dresden, Deutschland

Einleitung: Die Nervensonografie wird zunehmend in der Diagnostik von Polyneuropathien (PNP) eingesetzt. Für hereditäre und immunvermittelte Neuropathien wurden sonographisch messbare Veränderungen gezeigt. Dabei ist der Stellenwert der Nervensonografie in der PNP-Diagnostik im Vergleich zum Standardverfahren der Neurografie unklar. Diese Studie untersucht die diagnostische Qualität der Nervensonografie im Vergleich zur Neurografie bei nicht engpassbedingten peripheren Neuropathien und bei der hereditären motorischen und sensiblen Neuropathie (HMSN).

Methode: Konsekutiv wurden auf zwei neurologischen Normalstationen 100 Patienten prospektiv rekrutiert. Anhand des Neuropathy Impairment Score (NIS, Schwellenwert für eine PNP >= 6) als Referenzstandard wurden diese Patienten als Kontrollpersonen oder Patienten mit einer PNP klassifiziert. Die HMSN-Gruppe wurde aus 52 Patienten gebildet, deren Diagnose klinisch sicher war und die eine erschöpfende genetische Diagnostik erhalten haben. Alle Studienteilnehmer erhielten eine standardisierte neurographische und sonographische Untersuchung (Sonografie (US): 11 Nerven an 15 definierten Messorten je im Quer- und Längsschnitt; Neurografie der sonographisch untersuchten Nerven mit F-Antworten (NLG)).

Statistische Auswertung: Gruppenvergleiche mit Varianzanalyse oder Kruskal-Wallis-Test; Kolmogorov-Smirnov-Test auf Normalverteilung; Bestimmung optimaler Trennwerte für die einzelnen Messpunkte mittels ROC-Analyse. Vergleich der ROC zwischen Gruppen mittels t-Test oder Mann-Whitney. Nach verschiedenen Kriterien wurden die ermittelten Trennwerte verwendet, um für jede Methode eine diagnostische Zuordnung in die drei Studiengruppen vorzunehmen. Der positive und negative prädiktive Wert der so ermittelten methodenspezifischen Zuordnung wird mittels Bayes Theorem ermittelt, bezogen auf das Vorliegen einer PNP nach klinischen Referenzstandard (NIS >= 6).

Ergebnisse: Neurographisch bestehen signifikante Unterschiede zwischen der Kontroll- und der PNP-Gruppe (Varianzanalyse bzw. Kruskal-Wallis-Test, p < 0,05), jedoch nicht zwischen der PNP- und der HMSN-Gruppe. Für die sonographischen Parameter besteht kein Unterschied zwischen Gesunden und Patienten mit PNP, jedoch bestehen signifikante Unterschiede zwischen PNP- und HMSN-Patienten (Varianzanalyse bzw. Kruskal-Wallis-Test, p < 0,05).

Die Area under the curve (AUC) der ROC-Kurven als Gütekriterium unterscheidet sich signifikant zwischen den beiden Verfahren. Für die Unterscheidung zwischen Gesunden und PNP sind die AUC der Neurografie deutlich besser als die der Sonografie (NLG: AUC 0,76 (95% CI: 0,74 – 0,78), US: AUC 0,58 (95% CI: 0,55 – 0,61), t-Test p < 0,001). Demgegenüber sind für die Unterscheidung zwischen HMSN und PNP die AUC der Sonografie größer als die der Neurografie (NLG: AUC 0,66 (95% CI: 0,62 – 0,69), US: AUC 0,74 (95% CI: 0,71 – 0,76, t-Test p = 0,001).

Gegenwärtig werden weitere Vergleiche der diagnostischen Qualität durchgeführt, deren Ergebnisse ebenfalls im Rahmen des Kongresses präsentiert werden.

Diskussion: In dieser Studie wurde erstmals die Neurografie als das diagnostisches Standardverfahren in der PNP-Diagnostik mit der Nervensonografie verglichen. Die hier vorgestellte Studie ergibt Hinweise darauf, dass in der Unterscheidung zwischen Gesunden und Patienten mit einer nicht hereditären PNP die Neurografie überlegen ist, während dies in der Unterscheidung zwischen genetischen und nicht genetischen Formen der PNP für den Ultraschall der Fall zu sein scheint.