Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P139
DOI: 10.1055/s-0033-1337280

Verarbeitung visueller Informationen zur motorischen Kontrolle: Agency und Aufmerksamkeit

A Reichenbach 1, J Diedrichsen 1
  • 1University College London, Institute of Cognitive Neuroscience, London, Vereinigtes Königreich

Im alltäglichen Leben ist das visuelle System mit komplexen Informationen konfrontiert, muss allerdings Informationen für motorische Kontrollprozesse zeitnah zur Verfügung stellen. Die rasche und spezifische Verarbeitung handlungsrelevanter visueller Informationen legt nahe, dass das visuo-motorische System diese Informationen ständig verfolgt, um sie schnell in die visuo-motorischen Kontrollprozesse integrieren zu können. Mit der vorliegenden Arbeit zeigen wir, dass die Verfolgung des visuellen Zieles einer zielgerichteten Armbewegung mittels räumlich visueller Aufmerksamkeit erfolgt, während die Verfolgung der visuellen Informationen über den eigenen Körper nicht durch Aufmerksamkeitsprozesse moduliert wird. Wir schlagen daher einen gesonderten Mechanismus zur Verfolgung dieser speziellen visuellen Information vor: ”Agency Assignment”. Dieser Kontrollprozess ist grundlegend für effiziente visuelle Bewegungssteuerung und aufgrund seiner Schnelligkeit vor-bewusst. In diesem Sinne erweitert es das mehr kognitive Konzept des “Sense of Agency”, welchem u.a. in der Schizophrenieforschung zunehmend Bedeutung beigemessen wird1, um zeitkritische Prozesse für die Bewegungssteuerung.

In einer Virtual Reality Umgebung führten gesunde Versuchspersonen zielgerichtete beidhändige Armbewegungen zu visuellen Zielen aus. Während der Ausführung der Bewegungen wurde ein Ziel oder die visuelle Repräsentation einer Hand um 2 cm lateral versetzt, um die Reaktion der Versuchspersonen auf diese Störung zu erfassen. 50 – 100 ms vorher wurde die Helligkeit eines der visuellen Objekte (Ziel oder Handrepräsentation) kurzzeitig drastisch erhöht, um die Aufmerksamkeit auf dieses Objekt zu lenken.

Reaktionen auf die Versetzung eines Zieles wurden signifikant erhöht (t 13= 3,55; p < 0,01) und beschleuningt (t 13= 2,88; p < 0,05) durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das versetzte Ziel. Die Reaktionen auf die Versetzung einer Handrepräsentation wurden jedoch nicht durch Aufmerksamkeit beeinflusst (Interaktion Aufmerksamkeit (j/n) x Ziel/Hand: F 1,13= 6,89; p < 0,05).

Die vorliegende Arbeit ergänzt eine Reihe von Versuchen (Publikation in Vorbereitung), welche die Ergründung der Mechanismen zur Integration visueller Informationen für Bewegungssteuerung zum Ziel hat. Die aktuellen Ergebnisse bekräftigen unsere Hypothese, dass visuelle Informationen über den eigenen Körper von einem speziellen Mechanismus verfolgt und in die Handlungssteuerung integriert werden. Teile dieses Mechanismus sind vermutlich v.a. bei Schizophrenie Patienten gestört2. Da präventive Diagnostik bei dieser Psychoseform entscheidend zur Verbesserung des Krankheitsverlaufs beitragen kann3, würden wir als nächsten Schritt gerne Patienten sowie eine Risikopopulation testen, um die Sensitivität unserer Paradigmen für diese Pathologie zu evaluieren. Unsere Arbeitshypothese ist, dass Psychosepatienten für die Verarbeitung visuo-motorischer Informationen über den eigene Körper auch Aufmerksamkeitsprozesse beanspruchen, und dass dies bereits vor Ausbruch der ersten Episode mit unseren Paradigmen testbar ist.

Literatur:

1. Voss, M., et al. Brain 133, 3104 – 3112 (2010).

2. Frith, C.D., Blakemore, S. & Wolpert, D.M. Brain Res Brain Res Rev 31, 357 – 363 (2000).

3. Wilquin, H. & Delevoye-Turrell, Y. PLoS ONE 7, e30449 (2012).