Die kortikale Repräsentation des Lexikons und insbesondere die Binnenstruktur der etwa 20 bis 60.000 im Gehirn abrufbaren Wörter sind nach wie vor unklar. Andererseits belegen Fallbeispiele und Läsionsstudien der letzten 30 Jahren eine neurokognitive Realität von Wortkategorien [1]. Eine selektive Störbarkeit von Eigennamen (EN) wird oft nach Schäden in der linken, sprachdominanten Hemisphäre beschrieben [2], demgegenüber existieren jedoch Fallbeispiele von Patienten als auch EEG-Befunde, die eine spezifische Beteiligung der rechten Hemisphäre an der Verarbeitung von Eigennamen zeigen [3].
Wir stellen eine Patientin (CH) vor, die Infolge eines schweren Schlaganfalls in der rechten Hemisphäre eine starke Störung ausschließlich bei der Verarbeitung von EN aufweist. CH ist 68 Jahre, monolingual (deutsch) und Linkshänderin. Laut MRT-Befund hatte sie einen Territorialinfarkt der A. cerebri media rechts mit kleineren lakunären Infarkten im Grenzgebiet der A. c. m. posterior und der A. c. m. anterior. Vier Wochen post-onset, zeigte sich beim Aachener Aphasie Test (AAT) eine amnestische Aphasie, die sich noch innerhalb der Akutphase zu einer sehr leichten amnestischen Aphasie besserte. Lediglich bei der Produktion und Rezeption von EN war CH seit Eintritt des Ereignisses stark eingeschränkt. Experimentell wurden die Verarbeitung von EN, konkreten Nomen (KN) und Städten an zwei Testzeitpunkten (Abstand von vier Monaten) mit folgenden Aufgaben überprüft: 1) eine auditive Aufgabe bei der die Patientin Wörter hörte und diese in eine von den drei Wortkategorien (EN, CN, Stadt) einordnen sollte. 2) Bilder benennen (EN, CN, Städte). CH konnte zu keinem Testzeitpunkt eine relevante Anzahl von Personen benennen (1. Test: 3%; 2. Test: 0%). Andererseits gelang ihr das Benennen von KN bei beiden Testzeitpunkten sehr gut (1. Test: 71%; 2. Test: 80%). Beim ersten Test konnte CH 15% und beim zweiten Test 7% der Städte richtig benennen. Bei der Kontrollgruppe (2 w und 2 m, Ø= 88J.) wurden im Mittel 97,5% der KN, 86,5% der EN und 100% der Städte richtig benannt; in der auditiven Aufgabe wurden keine Fehlleistungen gefunden.
Der vorliegende Fall unterstützt die Annahme einer kategoriespezifischen Störung im Bereich der EN-Verarbeitung. Weiterhin belegt der vorliegende Fall eine Beteiligung der rechten Hemisphäre ausschließlich an der Verarbeitung von EN. Dass bei CH eine rechtshemisphärische Sprachdominanz vorliegt kann durch die starke kortikale Läsion und die vergleichsweise geringe aphasische Störung ausgeschlossen werden. Wir gehen davon aus, dass dies ein weiterer Beleg für eine Beteiligung der nicht-sprachdominanten Hemisphäre an der selektiven Verarbeitung von EN ist [4].
Literatur:
[1] Crutch, S. J. & Warrington, E. K. (2004). The semantic organization of proper nouns: the case of people and brand names. Neuropsychologia, 42, 584 – 596.
[2] Semenza, C. & Zettin, M. (1988). Generating proper names: a case of selective inability. Cognitive Neuropsychology, 5, 711 – 721.
[3] Weiss, S. & Müller, H. M. (2003). The contribution of EEG coherence to the investigation of language. Brain & Language, 85, 325 – 343.
[4] Ohnesorge, C. & Van Lancker, D. (2001). Cerebral laterality for famous proper nouns: visual recognition by normal subjects. Brain & Language, 77, 135 – 165.