Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P121
DOI: 10.1055/s-0033-1337262

Kooperation oder Kompetition der zwei Hemisphären bei der Verarbeitung von Schriftzeichen in der vertikalen Mittellinie des Sehfelds?

R Verleger 1, M Dittmer 1, K Smigasiewicz 1
  • 1Universität Lübeck, Klinik für Neurologie, Lübeck, Deutschland

Wenig ist darüber bekannt, wie die Hemisphären bei der Verarbeitung von Reizen zusammenwirken, die in der vertikalen Mittellinie des Sehfelds sind. Die Verarbeitung könnte unabhängig voneinander oder in Kooperation stattfinden. Hier maßen wir Zielreizerkennung und visuell evozierte EEG-Potentiale bei Reizströmen aus Füllreizen und zwei Zielreizen, T1 und T2, die entweder in der vertikalen Mittellinie, über und unter dem Fixationspunkt, oder links und rechts vom Fixationspunkt abliefen. Bei linken und rechten Strömen hatten die von Füllreizen und von T2 ausgelösten Potentiale frühere Latenzen über dem rechten als dem linken visuellen Kortex, und T2 wurde besser links als rechts erkannt; dies bestätigt frühere Resultate und kann als Ausdruck besserer Eignung der rechten Hemisphäre für diese Aufgabe verstanden werden. Bei Strömen oben und unten hatten die von den Füllreizen und von T2 ausgelösten Potentiale ebenfalls frühere Latenzen über dem rechten als dem linken visuellen Kortex, und T2 wurde generell so gut wie linker T2 identifiziert, niemals besser, in einer Reizkonstellation sogar schlechter (T2 im unteren Strom nach T1 im oberen Strom). Dies ist ein Anzeichen für rechtshemisphärische Präferenz sogar für Reize in der vertikalen Mittellinie, und spricht gegen einen Mehrwert durch interhemisphärische Kooperation in dieser Aufgabe. Das Fehlen einer Asymmetrie für T1 inmitten der Asymmetrien für die Füllreize und T2 kann als Indiz für einen möglichen alternierenden Zugriff der Hemisphären auf Mittellinien-Reize gedeutet werden, als eine Möglichkeit der Arbeitsteilung zwischen den Hemisphären.