Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P111
DOI: 10.1055/s-0033-1337252

Modulation elektrophysiologischer Korrelate lexikalischer Verarbeitung durch repetitive Exposition mit fremdsprachlichen phonotaktischen Regeln

S Rossi 1, 2, T Hartmüller 2, M Vignotto 1, 2, H Obrig 1, 2
  • 1Medizinische Fakultät Universität Leipzig, Tagesklinik für Kognitive Neurologie, Leipzig, Deutschland
  • 2Max Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Neurologie, Leipzig, Deutschland

Einleitung:

Eine wichtige Aufgabe beim Spracherwerb stellt der rasche Zugriff auf die Bedeutung von Wörtern und Sätzen dar. Hierbei muss in einem ersten Schritt der akustische Sprachstrom in kleinere Einheiten segmentiert werden und eine Bedeutung einem spezifischen Konzept zugeordnet werden. Als Unterstützung für diese Prozesse dienen unter anderem phonotaktische Regeln. Phonotaktik beschreibt die zulässigen (d.h. legalen) Phonemkombinationen in einer bestimmten Sprache (Trask, 1996). So ist etwa/BR/am Anfang eines deutschen Wortes legal, während/BZ/nicht zulässig (d.h. illegal) ist. In zwei Experimenten untersuchen wir, wie die wiederholte Exposition mit fremdsprachlichen im Vergleich zu bereits erworbenen muttersprachlichen prälexikalischen Regularitäten die N400, ein elektrophysiologisches Korrelat lexiko-semantischer Verarbeitung, moduliert.

Material/Methode:

In Experiment 1 hörten die Probanden passiv monosilbischen legalen und illegalen Pseudowörtern zu. In Experiment 2 mussten die Probanden per Feedback erlernen, die Pseudowörter zwei arbiträren Kategorien (A oder B) zuzuordnen, die nicht auf der Unterscheidung zwischen phonotaktisch legalen und illegalen Regularitäten beruhten. Beide Experimente wurden an drei aufeinander folgenden Tagen von zwei unabhängigen Probandengruppen durchgeführt. Mittels des Elektroenzephalogramms (EEGs) wurden ereigniskorrelierte Hirnpotentiale (EKPs) erfasst.

Ergebnisse:

Vor dem ersten Training zeigte sich eine höhere N400-Amplitude für legale im Vergleich zu illegalen Regularitäten. Dieses Ergebnis bestätigte einen früheren Befund aus Rossi et al. (2011). Im Verlauf der dreitägigen Exposition zeigte sich für das Passive Zuhören (Experiment 1) eine Abnahme der N400 für illegale Pseudowörter. Dieser Effekt verschwand allerdings bzw. zeigte teilweise sogar eine Amplitudenzunahme für das Kategorisierungstraining (Experiment 2).

Diskussion:

Die N400-Abnahme weist auf eine effizientere Diskriminationsleistung zwischen phonotaktisch legalen und illegalen Pseudowörtern hin, da die ersteren potentielle lexikalische Kandidaten darstellen. Im Gegensatz dazu führt das Kategorisierungstraining einen „protosemantischen“ Kontext ein, der eine potentielle Integration der neu gelernten Wörter im Lexikon erst ermöglichen würde.

Referenzen:

Rossi, S., Jürgenson, I. B., Hanulíková, A., Telkemeyer, S., Wartenburger, I., & Obrig, H. (2011). Implicit Processing of Phonotactic Cues: Evidence from Electrophysiological and Vascular Responses. Journal of Cognitive Neuroscience, 23(7), 1752 – 1764.

Trask, R. L. (1996). A dictionary of phonetics and phonology. London: Routledge.