Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P97
DOI: 10.1055/s-0033-1337238

Neuronale Korrelate des Werkzeuggebrauchs und Handlungsplanung

ML Brandi 1, A Wohlschläger 1, C Sorg 1, G Goldenberg 2, J Hermsdörfer 3
  • 1Klinikum rechts der Isar TUM, TUM Neuroimaging Center, München, Deutschland
  • 2Klinikum Bogenhausen, Klinik für Neuropsychologie, München, Deutschland
  • 3Technische Universität München, Sport- und Gesundheitswissenschaft, München, Deutschland

Einleitung:

Der Gebrauch von Werkzeugen ist eine essentielle Fähigkeit des Menschen. Studien zu den neuronalen Prozessen des Werkzeuggebrauchs beschäftigten sich meist mit der Betrachtung, Imagination oder der pantomimische Ausführung einer Handlung (Johnson-Frey et al. 2005; Hermsdörfer et al. 2007; Vingerhoets 2008). Ziel dieser Studie ist es, die neuronalen Grundlagen des Werkzeuggebrauchs unter möglichst realitätsnahen Bedingungen mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) zu analysieren. Die funktionsspezifische und unspezifische Manipulation unterschiedlicher Werkzeuge und neutraler Objekte soll Aufschluss über die werkzeugspezifischen neuronalen Netzwerke geben. Die Untersuchung beider Hände soll zusätzlich Auskunft über eine differenzierte Repräsentation von Werkzeuggebrauch und Effektor geben.

Methoden:

Mithilfe eines über dem Becken des liegenden Probanden installierten Karussells wurden den Probanden unterschiedliche Stimuli, d.h. reale Werkzeuge und Objekte im MRT präsentiert. Das eine Stimulus-Set bestand dabei aus zehn im Alltag gebräuchlichen Werkzeugen, das andere aus zehn unterschiedlich geformten Stäben. Die Aufgabe bestand darin, die Objekte entweder zu benutzen oder nur anzuheben und wieder abzulegen und dies sowohl mit der linken als auch rechten Hand. Ein Lichtsignal triggert die Ausführung. Somit kann in eine Planungs- und eine Ausführungsphase unterschieden werden. Die fMRT-Daten wurden mit SPM8 in einem faktorenanalytischen Design ausgewertet. Hierbei sind vor allem die Haupteffekte und Interaktion für die Faktoren Objekt, Aufgabe und Hand in der Planungs- und Ausführungsphase von Bedeutung.

Ergebnisse:

Neben einer deutlichen linksseitigen Lateralisierung unabhängig der genutzten Hand, ist ein weit verzweigtes Netzwerk zu erkennen, welches spezifisch für die Planung und die Ausführung des Gebrauchs von Werkzeugen im Kontrast zur der Manipulation der Stäbe steht. Es besteht aus Strukturen des Parietal- (IPL, SPL) und Frontallappens sowie Regionen im posterioren Temporallappen und dem lateralen occipitalen Complex. Somit zeigt sich ein Aktivierungsmuster, welches die semantischen Aspekte, die Verarbeitung von Gebrauchswissen und die Umsetzung motorischer Ausführungen widerspiegelt, welche bei der Umsetzung einer komplexen Handlung von Bedeutung sind.

Diskussion:

Hirnschädigungen, welche zum Beispiel in Folge eines Schlaganfalls auftreten, können zu Störungen in der Ausführung von motorischen Handlungen, so genannten Apraxien führen. Zum besseren Verständnis der neuroanatomischen Korrelate von Apraxien, ist es essentiel die Netzwerke, welche grundlegend für die Planung komplexer Handlungen wie dem Gebrauch von Werkzeugen sind, zu kennen und unter vergleichbaren Umständen zu betrachten. Die Ergebnisse unterstreichen die effektorunabhängige und linksdominante Repräsentation von Werkzeuggebrauch, mit wichtigen parietalen, temporalen und frontalen Verarbeitungszentren.

Literatur:

Hermsdörfer, J. et al., 2007. Neural representations of pantomimed and actual tool use: evidence from an event-related fMRI study. NeuroImage.

Johnson-Frey, S.H., Newman-Norlund, R. & Grafton, S.T., 2005. A distributed left hemisphere network active during planning of everyday tool use skills. Cerebral cortex.

Vingerhoets, G., 2008. Knowing about tools: neural correlates of tool familiarity and experience. NeuroImage.