Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P87
DOI: 10.1055/s-0033-1337228

Nervensonographische Veränderungen bei Patienten mit ALS

S Schreiber 1, S Abdulla 1, J Machts 2, I Galazky 1, A Oldag 1, M Goertler 1, S Petri 3, K Kollewe 3, HJ Heinze 1, R Dengler 3, S Vielhaber 1
  • 1Otto-von-Guericke-Universität, Klinik für Neurologie, Magdeburg, Deutschland
  • 2Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Magdeburg, Deutschland
  • 3Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Klinik für Neurologie, Hannover, Deutschland

Einleitung: Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist durch eine fortschreitende axonale Degeneration des unteren und oberen Motoneurons gekennzeichnet. Ausmaß und Ausdehnung der peripheren axonalen Schädigung variieren und sind möglicherweise prognosebestimmend.

Es ist bekannt, dass bei primären axonalen Neuropathien sonographisch ermittelte Querschnittsflächen (CSA) als auch Faszikelkaliber sich unterschiedlich verhalten. Zur ALS liegen bislang keine systematischen Untersuchungen vor, die die phänotypische Ausprägung und Varianten der Erkrankung berücksichtigen würden.

Material und Methoden: 40 ALS-Patienten (17 Frauen, 23 Männer; mittleres Alter 60,7 [12,7] Jahre) wurden mittels hochauflösender Nervensonografie (12-MHz-Sonde) untersucht: LMN-ALS-Varianten n = 11, klassische ALS (Charcot) n = 9, UMN-ALS-Varianten (UMND = 4; PLS = 6) und vorwiegend bulbäre Verlaufsformen (n = 10) sowie 14 gesunde altersgematchte Kontrollen (4 Frauen, 10 Männer; mittleres Alter 58,7 [10,9] Jahre). Beurteilt wurden die CSA (in mm2) des N. medianus am Handgelenk und Unterarm und beim N. ulnaris zusätzlich der Kubitaltunnel. Darüber hinaus wurde jeweils der Durchmesser des größten Faszikels (FD in mm) bestimmt.

Ergebnisse: Im Gruppenvergleich zwischen allen Patienten und Kontrollen ist die CSA für den N. ulnaris am Unterarm und Handgelenk bei ALS deutlicher reduziert als die Werte für den N. medianus. Die stärksten Effekte finden sich bei Patienten mit klassischer ALS (Charcot) und bulbo-spinalen Verlaufsformen. Besser erhalten ist die CSA bei Patienten mit UMN-ALS-Varianten. Der FD hingegen ist sowohl im Bereich des Unterarms (N. medianus, N. ulnaris) als auch am Handgelenk (N. ulnaris) in der gesamten Patientengruppe im Vergleich zu den Kontrollen vergrößert. Besonders deutlich waren diese Effekte bei den UMN-ALS-Varianten und milder ausgeprägt bei der klassischen ALS (Charcot).

Schlussfolgerung: Patienten mit ALS zeigen eine distale Ausdünnung peripherer Nerven, wobei schwerpunktmäßig der N. ulnaris betroffen zu sein scheint. Die distale CSA-Reduktion betrifft dabei in abgestufter Form nicht nur Patienten mit klinischer Beteiligung des unteren Motoneurons (LMN-ALS-Varianten, klassische ALS (Charcot) und bulbäre Verlaufsformen), sondern auch UMN-ALS-Varianten. Einzelne Nervenfaszikel sind jedoch besonders stark vergrößert in den UMN-ALS-Varianten. Der Einsatz der Nervensonografie könnte zukünftig bei der Einordnung klinischer Varianten bei Patienten mit ALS eine Rolle spielen.