Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P84
DOI: 10.1055/s-0033-1337225

Veränderungen der grauen Substanz bei Patienten mit vestibulärer Migräne

S Wurthmann 1, B Schulte Steinberg 1, S Nägel 1, D Holle 1, N Theysohn 2, HC Diener 1, M Obermann 1
  • 1Universitätsklinikum Essen, Neurologische Klinik und Poliklinik, Essen, Deutschland
  • 2Universitätsklinikum Essen, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Essen, Deutschland

Einleitung:

Die vestibuläre Migräne ist zwischen der 3. und 5. Dekade die häufigste Ursache rezidivierender spontan auftretender Schwindelattacken. Ziel der vorliegenden Studie ist, mithilfe von voxelbasierter Morphometrie (VBM) strukturelle Veränderungen der grauen Hirnsubstanz bei Patienten mit vestibulärer Migräne festzustellen.

Methode:

27 Patienten (Durchschnittsalter: 42J.; 6 Männer, 21 Frauen) wurden prospektiv aus dem Schwindelzentrum Essen rekrutiert und mit 27 alters- und geschlechts-gematchten gesunden Probanden (Durchschnittsalter: 41J.; 6 Männer, 21 Frauen) verglichen. Die T1-gewichteten 3D Magnetresonanztomografieaufnahmen (MPRAGE) wurden mit einem 1,5 T Siemens Avanto Scanner erstellt. Diese wurden mittels VBM8 ausgewertet. Für die Vorverarbeitung und die statistischen Analysen wurden „new segment“ und der DARTEL-Algorithmus von SPM8 (Wellcome Trust Centre of Neuroimaging) genutzt.

Ergebnisse:

Patienten zeigen im Vergleich zu Gesunden eine signifikante Abnahme der grauen Substanz in verschiedenen Hirnregionen, wie dem mittleren temporalen Gyrus, superiorem temporalen Gyrus, Gyrus cinguli, Inselcortex, inferiorem parietalen Cortex, visuellem Cortex, Gyrus praecentralis und verschiedenen Bereichen des präfrontalen Cortex. Eine Zunahme der grauen Substanz liegt nicht vor.

Diskussion:

Die signifikante Abnahme der grauen Hirnsubstanz bei Patienten im Vergleich zu Gesunden zeigt, dass es im Rahmen der vestibulären Migräne zu Veränderungen der grauen Substanz kommt. Die betroffenen Hirnregionen spielen eine zentrale Rolle im schmerzmodulierenden System, aber zum Teil auch in dem zentralen vestibulären System. Ähnliche Veränderungen finden sich in Teilen bei Migräne mit und ohne Aura. Einige der Regionen wie dem superiorem temporalen Gyrus, Gyrus cinguli, Inselcortex und inferiorem parietalen Kortex gehören zu den multisensorischen vestibulären Kortexarealen und stellen womöglich das pathophysiologische Korrelat für die vestibuläre Migräne im Sinne der Verbindung des vestibulären Systems mit dem schmerzmodulierenden System und der daraus resultierenden Schwindelsymptome bei Patienten mit Migräne dar.