Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P77
DOI: 10.1055/s-0033-1337218

Nicht-invasive Darstellung der strukturellen und funktionellen Konnektivität des vestibulären Systems beim Menschen

V Kirsch 1, 2, D Keeser 3, 4, T Meindl 3, M Dieterich 1, 2
  • 1LMU, Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland
  • 2LMU, Deutsches Schwindelzentrum-IFB, München, Deutschland
  • 3LMU, Institut für Klinische Radiologie, München, Deutschland
  • 4LMU, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, München, Deutschland

Einleitung: Zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts integriert das menschliche Gehirn vestibuläre, visuelle und somatosensorische Informationen. Die exakte Lokalisation und Funktion vestibulärer subkortikeler und kortikaler Areale sowie deren Verknüpfungen sind jedoch im Vergleich zu den anderen sensorischen Systemen bislang weniger bekannt. Eine Möglichkeit mehr über die funktionellen und strukturellen Verknüpfungen sowie die Hierarchie der unterschiedlichen Areale des Gleichgewichtsystems zu erfahren, ist die Darstellung seiner strukturellen und funktionellen Konnektivität mittels DTI (Diffusion Tensor Imaging) und fcMRI (funktionelle Magnetresonanztomografie Konnektivität). Ziel der Studie war es, über diesen multimodalen Ansatz die funktionelle und strukturelle Konnektivität des vestibulären kortikalen und subkortikalen Netzwerks zu untersuchen.

Methoden: An 12 gesunden Probanden (7 Frauen; Mittel 28 Jahre alt, 19 bis 45J.) wurden MRT-Messungen mit einem 3Tesla Tomographen (Siemens, Verio) durchgeführt. Die Auswertung der MRT-Bilder erfolgte mit der Software FSL und SPM. Zur Überprüfung der strukturellen Konnektivität zwischen verschiedenen Teilen des vestibulären Systems wurden mit der Software FSL Wahrscheinlichkeiten für die Verbindungsstärke zwischen Hirnstamm und der posterioren Insel mittels voxelbasierter DTI-Traktografie errechnet und verglichen. Die funktionellen Konnektivitätsmuster der grauen Substanz wurden in SPM mithilfe der CONN-functional connectivity toolbox analysiert.

Ergebnisse: In der datengesteuerten DTI-Traktografie fand sich auf Gruppenebene zwischen Hirnstamm und posteriorer Insel die robusteste strukturelle Verbindung zwischen den Vestibulariskernen, den Fasciculus longitudinalis medialis (MLF), den posterolateralen Thalamus bis hin zum parietalen Operculum. In den funktionellen Analysen zeigte die posteriore Insel ihre stärkste Verbindung zum ipsilateralem und kontralateralen posterolateralen Thalamus, dem ipsilateralen und kontralateralen Gyrus temporalis superior und der kontralateralen posterioren Insel.

Diskussion: Die vorliegende Studie legt eine direkte Verbindung zwischen struktureller und funktioneller Konnektivität des vestibulären Systems beim Menschen nahe mit der hinteren Insel als zentraler Struktur. Diese Daten unterstützen Ergebnisse aus Posititronen-Emissions-Tomografie- und fMRT-Studien mit kalorischer und galvanischer Stimulation beim Menschen [1 – 3]; auch hier konnte bereits ein komplexes bilaterales Netzwerk multisensorischer vestibulärer kortikaler Areale zur Verarbeitung von Gleichgewichtsinformationen dargestellt werden. In Analogie zu tierexperi-mentellen Studien am Makaken scheint der parieto-insuläre vestibuläre Kortex (PIVC) in der hinteren Insel auch beim Menschen eine Kernregion innerhalb des vestibulären Netzwerkes darzustellen.

Literatur:

1. Dieterich, M., Functional brain imaging: a window into the visuo-vestibular systems. Curr Opin Neurol, 2007. 20(1): p. 12 – 8.

2. Bense, S., et al., Multisensory cortical signal increases and decreases during vestibular galvanic stimulation (fMRI). J Neurophysiol, 2001. 85(2): p. 886 – 99.

3. Becker-Bense, S., et al., Ventral and dorsal streams processing visual motion perception (FDG-PET study). BMC Neurosci, 2012. 13(1): p. 81.

Gefördert durch die Deutsche Stiftung für Neurologie (DSN) sowie das BMBF (Deutsches Schwindelzentrum-IFBLMU).